Meinung

Christchurch – ein Weihnachtsmärchen?!

! Aktualisiert am 15. November 2018

Die Einwohner von Christchurch hatten es in diesem Jahr nicht leicht – begonnen im Schatten des ersten „großen“ Bebens im September 2010, nach dem man sich glücklich schätzte, weil alles glimpflich geendet hatte, schlitterten die Cantabrians im Jahr 2011 auf einer schier endlosen Serie von kleinen und großen Erdbeben dahin. Der Höhepunkt, das Beben am 22. Februar 2011, hat die Stadt und ihr historisches Zentrum bis heute unbewohnbar gemacht – vielleicht für immer?

Christchurch Cathedral Ruine

Auch 7 Jahre danach sieht man überall die Spuren des Erdbebens in Christchurch

Während Einwohner und Politiker um die besten Wiederaufbaustrategien streiten, fragen sich Reisende, ob sie Christchurch trotz der Erdbeben-Schäden und der immer noch reellen Gefahr von Nachbeben auf ihre Route setzen sollen. Hierüber ist man geteilter Meinung.

Die eine Partei sagt: Nein. Zahlreiche Hotels und Herbergen in Christchurch, die naturgemäß im inneren Stadtgebiet waren, sind stark beschädigt, zerstört oder liegen in der verbotenen „Red Zone“, die Infrastruktur ist unzureichend. Internationale Airlines haben ihre Flüge nach Christchurch stark reduziert. Wie es mit dem Shopping aussieht, ist auch zweifelhaft – zwar öffnen immer mehr Geschäfte und Büros ihre Filialen wieder, aber es sind eben auch noch sehr viele geschlossen. Die tägliche Versorgung wird da schnell zur Hauptaufgabe, wie Frithjof in seinem Blog live erzählt.

Kurz: Nach Christchurch zu fahren, macht keinen Sinn, weil man nirgends unterkommt, nicht herumkommt, den Wiederaufbau behindert und sowieso nichts sehen kann – außer Zerstörung.

Gerade die ist aber das Hauptargument der Ja-Partei: Schon bald nach dem großen Beben am 22. Februar erwachte das Interesse an Besichtigungen der Erdbebenschäden. Nicht nur Residents und ehemalige Einwohner der Stadt wollen sehen, was genau zerstört wurde; so ein Beben und seine ungeheure Zerstörungskraft sind naturgemäß faszinierend.
Kiwis wären keine Kiwis, wenn sie diesem Wunsch nicht grundsätzlich offen gegenüberstehen würden, und so gibt es inzwischen mehrere Anbieter von Stadtrundfahrten – im roten Doppeldeckerbus von „Discover Christchurch“ und mit Segways kann man Rundfahrten durch die Stadt entlang der Sperrzonenränder machen, oder man kann die zerstörte Innenstadt und die Erdrutsche in den Vororten Sumner und Redcliffs aus der Luft betrachten.

Solange die Rundfahrten nicht zum Begaffen von Tragödien und Leid verkommen, sondern den Fokus auf den Wiederaufbau und den Zusammenhalt der Cantabrians legen, sind die Tourismusbehörden der Stadt zufrieden mit dieser Entwicklung. Auch ein zerstörerisches Erdbeben wird eben irgendwann zur Touristenattraktion… und geht in die Kultur ein, wie dieser bedrückende Trailer zum Film „When a City falls“ zeigt (Achtung, Taschentücher bereithalten!):

Kurz: Natürlich sollte man Christchurch besuchen. Die Stadt und ihre Umgebung sind toll, es gibt auch außerhalb der „Red Zone“ viel zu sehen, Geschäfte und Herbergen haben zum Großteil wieder geöffnet, das Trinkwasser schmeckt wieder, der Flughafen arbeitet und – der größte Gefallen, den man der Stadt als Tourist tun kann, sind Einnahmen durch Tourismus!

Ja, Nachbeben gibt es immer noch und immer wieder, aber Hand aufs Herz: Ganz Neuseeland ist eine erdbebengefährdete Zone und wer wirklich Angst davor hat, der sollte das ganze Land meiden.

Im Zuge des Wiederaufbaus, für den Milliarden von Dollars investiert werden, gibt es einige wundervolle Projekte, wie die „Re:Start Mall“ aus bunt bemalten Schiffscontainern. Am 22. Februar 2012, also genau ein Jahr nach dem großen Krach, wurde die zerstörte Kathedrale durch eine riesige Papp-Konstruktion des Designers Shigeru Ban ersetzt.

-> Hier lest ihr mehr darüber, wie es in Christchurch nach dem Erdbeben 2011 weiterging

Weltwunderer New Zealand Christchurch Familien Cardboard Cathedral

Pappkathedrale von innen – hübsch, nicht? © christchurchnz.com

Als ganz spezielles Weihnachtsgeschenk sollte am 24. Dezember 2012 ein letztes Mal der „Cathedral Square Walkway“ geöffnet sein. Der Platz vor der Kathedrale in der Innenstadt war vom großen Beben am schlimmsten betroffen und konnte über Jahre nicht sicher betreten werden. Um einen Blick auf die zerstörte Kathedrale zu ermöglichen, wurde ein Weg von der „Re:Start Mall“ zum Cathedral Square auf der am wenigsten gefährlichen Route eingerichtet.

Über 19.000 Menschen haben dieses Angebot genutzt, das durchaus nicht ungefährlich ist: Die CERA-Mitarbeiter empfahlen allen Besuchern dringend, festes Schuhwerk zu tragen und „Personal Identity“ gut sichtbar außen am Körper zu tragen, falls es zu einem neuen starken Beben käme. Schluck.

Die Weltwunderer wünschen allen Cantabrians, Kiwis und Neuseeland-Fans weltwundervolle Weihnachten – und Friede auf Erden.

Meri Kirimehete!

Jenny

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