Persönliches

Warum wir mit unseren Kindern reisen – auch wenn sie gern zu Hause bleiben

! Aktualisiert am 4. September 2015

Ein Reiseblogger ohne Fernweh? Also bitte. Eine ordentliche Portion Reiselust gehört ja quasi zur Berufsbeschreibung. Wir Weltwunderer-Eltern haben also durchaus Fernweh, wie die meisten Kollegen auch schon seit unserer Kindheit. Unsere Kinder allerdings nicht – sollte uns das etwas sagen?

Weltwunderer-NZ-Omana-Regional-Park

Wir sind als DDR-Kinder irgendwie in dem vagen Bewusstsein aufgewachsen, dass wir nicht allzu weit reisen werden können. Das Fernweh-Träumen war das meiste, was uns im „Tal der Ahnungslosen“ möglich war (Westfernsehen gab es rund um Dresden nämlich nicht).

Hinter dem Eisernen Vorhang begnügten wir uns also im ersten Lebensjahrzehnt mit Karl-May-Lektüre. Erst in den zarten Zwanzigern ging es richtig los für uns: Nach ersten vorsichtigen Westeuropa-Erkundungen wagten wir uns als frisches Weltwunderer-Paar per Pauschalflieger rund ums Mittelmeer und schließlich mit dem Rucksack nach Mittelamerika, Südostasien und Neuseeland – Freiheit!!

Was ist Fernweh – für uns und unsere Kinder?

Unsere Kinder, deren Leben (reisetechnisch gesehen) komplett uneingeschränkt begann, die prinzipiell in jedes Land der Welt fahren können, wenn sie wollen, und die schon geflogen sind, bevor sie richtig laufen konnten, kennen interessanterweise weder den Begriff „Fernweh“ noch das dahinter stehende Konzept.

Im Gegenteil: Wenn wir (wieder einmal) eine Fernreise ankündigen, kommen als erstes Sorgen über Vulkane, Erdbeben & Co. Wenn wir im exotischen Ausland unterwegs sind, wird am Essen herumgemäkelt (okay, es wird dann trotzdem gegessen, meistens). Wenn wir fragen, wo es im nächsten Urlaub hingehen soll, heißt es „Ostsee“. Und selbst dort sitzen die Kids am liebsten auf dem Zeltplatz herum und spielen mit ihren Freunden oder malen. An neue Strände oder auf die andere Seite des Darß zieht es sie dann nicht.

Wenn einem die Welt so offen steht, dass man sie gar nicht erobern muss – kann man dann überhaupt noch echtes Fernweh haben? Tun wir unseren Kindern also überhaupt einen Gefallen, wenn wir sie in ihrem zarten Alter schon um den Globus schleppen?

Weltwunderer-NZ-Muriwai-Beach

Reiselust funktioniert auch ohne Fernweh

Zugegeben: Manchmal fragen wir uns, ob es nicht völlig okay wäre, die Kids bei Oma zu lassen und unsere Reiselust allein auszuleben – denn zweifellos muten wir unseren Kindern auf Reisen so einiges zu, von Impf-Marathons und Langstreckenflügen bis zu tropischer Hitze und „ekligem“ Essen. Und zweifellos wäre das Reisen ohne Kinder auch weniger anstrengend für uns (ganz zu schweigen von den Kosten!).

Aber solche Pläne dauern meist nur ein paar Kopfsekunden. Nein, wir wollen gern gemeinsam mit unseren Kindern die Welt entdecken. Die Initiative dazu geht zwar eindeutig von uns aus und nicht von ihnen. In der Regel machen wir uns deshalb aber keine Vorwürfe. Und zwar aus zwei Gründen:

Die Weltwunderkinder hatten noch auf keiner Reise richtiges Heimweh. Das heißt: Sie fühlen sich wohl, wenn wir gemeinsam unterwegs sind, vermissen das Vertraute nicht übermäßig und können dem Fremden offen und neugierig begegnen. (Dass sie zu Heimweh durchaus in der Lage sind, bemerken wir allerdings jedes Mal, wenn wir sie ohne uns auf Reisen schicken!)

Und, noch viel wichtiger: Unsere Kinder wünschen sich zwar nicht sehnsüchtig ans andere Ende der Welt und sind zufrieden mit Ostsee & Co. Aber wenn wir dann fragen: „Was haltet ihr denn von Japan?“, dann leuchten ihre Augen auf – und man kann förmlich sehen, wie in ihren Köpfen Reiseträume entstehen. „Was kann man dort unternehmen?“, „Was gibt es dort zu essen?“ und „Wie lange fliegen wir da?“ sind nur die ersten von immer neuen Fragen, auf die wir oft selbst noch keine Antwort wissen.

Weltwunderer-NZ-Te-Papa-Wellington

Unsere Kinder haben kein Fernweh, sie sind genau dort zufrieden, wo sie gerade sind. Aber solange sie „Fernlust“ haben, Neugierde und Entdeckerlust verspüren ohne Angst vor dem Unbekannten und kulturelle Vorurteile, sind wir Eltern damit zufrieden.

Wie geht es euch mit dem Thema – müsst ihr euch Vorwürfe von der Verwandtschaft anhören oder sogar von euren eigenen Kindern? Oder habt ihr Kinder mit dem Fernweh-Gen?

Jenny

13 Kommentare

  • Hallo Jenny,
    Fernlust – ein tolles Wort, ich glaube, genau das trifft es bei unserem Krümel. Er wäre ebenfalls mit der Ostsee zufrieden bzw. er ist glücklich, wenn er im Bulli schlafen kann und das könnte auch drei Straßenzüge weiter sein. Er hat aber gleichzeitig auch nicht dagegen, wenn wir mit ihm um die Welt fliegen. Ganz besonders Langstreckenflüge findet er attraktiv, personal kino sei dank!

  • Hallo ihr lieben Weltwunderer,
    auch meine Eltern haben mir schon früh die Gelegenheit gegeben, andere Länder zu erkunden. Und mein Traum war das auch nicht. Wie ihr schon schreibt – ekeliges Essen zum Beispiel. Aber ich konnte mich auch nicht dazu überwinden, wirklich zu Hause zu bleiben, als die Reisen nach China oder Kuba anstanden. Die Vorfreude war begrenzt, das Heimweh schon irgendwie da, aber ich bin froh, dass ich diese Chancen genutzt habe. Und inzwischen hat auch mich das Reisefieber gepackt. Ich denke also, dass es großartig ist, dass ihr euren Kindern das ermöglicht und solange es ihnen nicht wirklich schlecht dabei geht, ist das doch eine gute Sache.
    Liebe Grüße in meine Heimat
    Pia

  • Ich finde die Unterscheidung von Fernweh und Fernlust sehr schön. Das trifft es gut. Und ist es nicht das Schönste, das passieren kann? Dass man dort, wo man ist, glücklich ist, aber immer Lust hat, Neues zu erkunden, wenn es möglich ist? Ich glaube, das macht einen wirklich gefestigten und glücklichen Menschen – neben ein paar anderen Eigenschaften natürlich – aus. :)

    Lg aus St. Leonhard

  • Wir stellen uns auch immer wieder mal ähnliche Fragen. Was soll und kann man den Kindern zumuten? Dass häufiges Reisen am Ende „echtes Fernweh“ verhindern soll, mag ich nicht glauben. Im Gegenteil, ich kan nur überwiegend positive Effekte des Reisens und des Erlebens fremder Kulturen sehen – zumindest für die eigene Entwicklung, und da denke ich ganz besonders an die Kinder.

    Der größte negative Effekt ist wohl eher praktischer Natur, wenn ich daran denke, was wir unserem Planeten zumuten, wenn wir „ständig“ mit dem Flieger unterwegs sind. Da drängt sich doch manchmal ein ziemlich schlechtes Gewissen auf, weshalb wir uns hier Zuhause verstärkt aufs Rad „zwingen“ und auch immer wieder versuchen, selbst längere Reisen mit der Bahn zurückzulegen.

    Und natürlich darf man seinen Kindern nicht alles zumuten. Ich finde, man sollte sich gut überlegen, wohin man mit seinen sehr kleinen Kindern reist, wenn sie z.B. noch keinen kompletten Impfschutz haben. Gerade die Masernausbrüche der letzten Jahre könnten da schon mal zum Problem werden.

    Für uns persönlich ist das Reisen mit unseren Kindern zu einem wichtigen Teil unseres gemeinsamen Lebens geworden, den wir alle nicht missen wollen. Heimweh haben unsere Kinder (im Moment 7 und 9 J.) bisher nicht wirklich gehabt, und wir hoffen, dass das noch lange so bleiben wird! Obwohl wir Eltern Kinder der BRD sind, kenne ich Fernreisen aus meiner Kindheit fast überhaupt nicht. Da ging es regelmäßig in den Schwarzwald oder an die Nordsee (waren immerhin 800-900 km = Fernreise?), was wir Kinder aber auch total klasse fanden! Auch unsere Kinder lieben die kleinen Reisen in die nähere Umgebung, und sind damit völlig zufrieden. Sie haben aber gleichzeitig nichts dagegen, mit uns längere Reisen zu unternehmen.

    Und irgendwelche Beschwerden von Großeltern gibt’s bei uns zum Glück nicht, die haben sich schon lange daran gewöhnt!

  • Hallo Weltwunderfrau,

    wir waren mit unserer Tochter 2 Monate in der Elternzeit in Kroatien. Da war sie 7 Monate alt. Zu Beginn hagelte es Kritik im Sinne von: wie könnte ihr? Das Kind ist doch so klein? Es barucht seine Rituale und gwohnte Umgebung.
    Wir haben für uns festgestellt, dass gewohnte Umgebung auch da ist wo wir als ihre Bezugspersonen sind. Wir haben uns ihrem Rhythmus angepasst, also Ruhe um die Mittagszeit herum, abends zu Hause. Die Orte haben wir im Wochenrythmus gewechselt. Es hat wunderbar geklappt. Auch jetzt reisen wir häufig mit ihr und sie geniesst es! Sie ist erst 3, aber wenn sie von einer neuen Stadt hört, will sie dahin. Alles richtig gemacht, würde ich sagen!

    • Hey Janis, danke für deinen Kommentar! Die leuchtende Karte von Neuseeland findest du im Nationalmuseum Neuseelands, dem Te Papa Tongarewa in Wellington. Das würde deiner Familie bestimmt super gefallen ;-)

  • Also mein Sohn (bald 4) kennt Fernweh. Der kommt jede Woche mit einer neuen Idee, wo er denn mal wieder hinkönnte (angeblich war er schon überall). Letzten sagt er beim Frühstück: Ich will mal nach Neuseeland! Keine Ahnung wo er das her hat, Neuseeland war nie so richtig ein Thema bei uns und erst recht nicht in letzter Zeit.
    Nach Island müssen wir auch mal meinte er letztens! Und heute morgen hat er sich über das „kack kalte Wetter“ beschwert und gesagt, dass er endlich wieder im Meer baden will.
    Ich habe in der Zwischenzeit schon ein schlechtes Gewissen, dass wir immer noch zu Hause sind!

    Also der kleine Mann hat auf jeden Fall das Fernweh-Gen!

  • Unsere Kinder lieben das Reisen und haben sich tatsächlich noch nie beklagt. Ok, ausser vielleicht mal so nem Kommentar wie „In Schottland konnten wir aber nicht viel machen“. ;) Was total Quatsch ist. Wir waren nur unterwegs und hatten auch viel Kinderprogramm. Und sie kennen auch schon Fernweh, denn unser 3jähriger fragt des Öfteren wann wir denn wieder auf die Malediven fahren oder wann wir denn endlich mal nach Afrika reisen. Ernsthaft! Wenn wir von einer Reise zurückkehren freuen sie sich ca. 2 Stunden über die Wiederentdeckung ihrer Kinderzimmer. Um danach dann in eine kleine Depression zu fallen, daß am nächsten Tag wieder Kita und Schule beginnen. Klar ist es für sie nicht so wichtig ob wir nach Thailand reisen oder an die Nordsee. Aber reisen wollen sie immer. GlG, Nadine

  • Hallo Maria,

    danke für deine Antwort. Ich hoffe (wie alle Eltern) sehr, dass unsere Entscheidung die richtige ist. Besonders, wenn die besorgten Großeltern angesichts unserer Reisepläne wieder seufzen und mit den Augen rollen….
    Aber du machst mich neugierig: Welche eurer Reiseprojekte waren denn tatsächlich zu anstrengend?

    • Hallo, Jenny,

      grundsätzlich kann ich sagen, dass es immer dann zu anstrengend wurde, wenn entweder der Zeitplan zu eng war oder auf eine lange Anreise gleich viele Unternehmungen ohne ausreichende Relax-Einheiten folgte. Das war bei uns immer mal wieder der Fall, da wir oft nicht so lange verreisen können, außerdem Städte mögen und gerne Kulturprogramm machen. Deshalb ist eine der wichtigsten Herausforderungen bei der Reiseplanung in unserem Fall die richtige Balance. Die kann man allerdings überall finden: Von unserem etwas irren Nur-sechs-Tage-Trip nach Seoul zum Beispiel kamen wir trotz langem Flug und Megacity absolut entspannt zurück – alle.

  • Hallo, Jenny,
    über solche Fragen denke ich ziemlich oft nach. Ich bin zwar BRD-Kind und konnte prinzipiell überall hin, aber wir sind halt meistens nicht weit gereist, im Studium hatte ich wenig Geld, sodass auch bei mir genügend Zeit zum Aufbau von Fernweh war. „Überfüttern“ wir also unsere Töchter; nehmen wir ihnen die Gelegenheit, eigene Sehnsüchte aufzubauen? Vielleicht. Aber vielleicht ist die Gegenseite – das, was sie durch Reisen erleben – noch wertvoller. Ich lese ganz gern französische Zeitschriften, und sehr oft, wenn da kreative Personen nach ihren Inspirationsquellen gefragt werden, antworten die: „Reisen – ich bin schon als Kind viel gereist, das hat mich geprägt.“ Da nicke ich dann immer erfreut. Aber manchmal habe ich doch ein schlechtes Gewissen, wenn manche unserer Reiseprojekte sich als zu anstrengend erweisen… Woraus man natürlich lernen kann, noch besser zu planen!

    Liebe Grüße,
    Maria

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