Eure Neuseeland Reiseberichte

Blog-Interview Nr. 22: Elternzeit in Neuseeland – auf der Jagd nach kulinarischen Sch(m)ätzen

! Aktualisiert am 21. Juni 2020

Auf dieses Interview haben wir sooo lange gewartet! Seit wir im September 2013 auf Julias kulinarischen Reiseblog „Jäger des verlorenen Schmatzes“ gestoßen sind, betteln wir bei der Neuseeland-verrückten Berlinerin um ein Gespräch. Was ihr hier lest, ist also etwas ganz Besonderes – in mehrfacher Hinsicht. Wir wünschen euch guten Lese-Appetit!

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Idylle in der Stony Bay auf Coromandel © www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de

Weltwunderer: Liebe Julia, erzähl uns doch bitte zuerst etwas über dich und deine Familie – wer seid ihr?

Julia: Wir sind zwei, oder vielmehr: inzwischen drei Berliner mit permanentem Fernweh. Wir lieben es, uns mit kleinem Gepäck und großem Herzen die Welt anzuschauen. Außerdem mögen wir gutes Essen und probieren auf Reisen gern das, was die Einheimischen essen. Im September 2013 sind wir zu unserer siebenmonatigen kulinarischen Feldforschung quer durch Neuseeland aufgebrochen. Zeitgleich habe ich meinen Blog gelauncht. Du bist also sehr früh auf uns gestoßen, Jenny!

WW: Woher kommt dein Interesse an Neuseeland – kulinarisch sticht es ja auf der Weltkarte nicht allzu sehr hervor?

In Neuseeland ist es für viele völlig normal, sich ihren Fisch selbst zu angeln, Muscheln fürs Mittagessen am Strand zu sammeln oder im Wald ein Wildschwein für die Voratskammer zu jagen. Das finde ich als „Foodie“ spannend, zumal Neuseeland noch dazu eine ziemlich einzigartige Flora und Fauna hat. Es hat sich noch nicht herumgesprochen, aber in Neuseeland gibt es mittlerweile eine blühende Gastro-Szene. Selbst in kleinen Orten findet man echt gute Restaurants und Cafés.

Das erste Mal war ich 2006 am schönsten Ende der Welt: für ein knappes halbes Jahr, allein und mit einem Working-Holiday-Visum. Seitdem schreibe ich, so oft es geht, über das Land und war 2010 nochmal zur Recherche dort. Die Idee, Neuseeland kulinarisch zu erforschen und darüber zu schreiben, hatte ich schon vor ein paar Jahren. Vorher habe ich aber erst noch ein anderes Buch geschrieben („Delikatessen weltweit“) und ein Kind zur Welt gebracht ;-)

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Selbst gesammelte Herzmuscheln, Golden Bay © www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de

WW: Ihr wart sechs Monate unterwegs. Wie viel Vorbereitung und Planung steckte in dieser Reise?

Die Idee hatte ich schon eine ganze Weile. Aber als die Elternzeit am Horizont auftauchte, haben wir die Möglichkeit einer solchen Recherchereise nochmal ganz neu betrachtet: Wollen und können wir das gemeinsam machen? Für längere Zeit, mit Baby?

Mit der tatsächlichen Organisation haben wir erst begonnen, als unsere Tochter gut einen Monat alt war. Das heißt, wir hatten bis zur Abreise etwa vier Monate Zeit. Wir sind ja schon oft, auch für länger, gereist und hatten dadurch Routine. Zeit gekostet haben vor allem die Fragen, die für uns plötzlich neu waren. Die Recherche nach einer Airline, die uns ein Baby bassinett garantierte zum Beispiel. Oder wo wir unseren Stopover machen wollten – es sollte etwa auf halbem Weg liegen, uns ein paar entspannte Tage ermöglichen und möglichst ein ähnliches Klima haben wie Deutschland. Auf schwülheißes Wetter und eiskalte Klimaanlagen hatten wir mit Baby keine Lust. Letztlich ist es Südkorea geworden, eine sehr gute Entscheidung!

www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de Weihnachten unter Pohutukawas

Weihnachten unter Pohutukawas © www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de

WW: Welche Route habt ihr durch NZ genommen, und womit habt ihr euch fortbewegt?

Wir waren sechs Monate mit einem Campervan unterwegs: zuerst auf der Südinsel, dann auf der Nordinsel und zum Schluss nochmal auf der Südinsel. Ich glaube, wir waren so ziemlich überall :-) Je einsamer der Ort und desto kleiner die Straße, die dorthin führte, um besser.

Startpunkt war Christchurch, weil ich den Automarkt in Auckland bei meiner ersten Reise viel zu unübersichtlich und teuer fand. Dort haben wir schnell einen für uns perfekten, kleinen Campervan mit Hochdach gefunden: Der hatte vorn eine Dreisitzerbank, dahinter direkt das Bett, das wir permanent ausgeklappt ließen und das zum Schlaf-, Wohn- und Spielzimmer wurde, und dahinter Einbauschränke plus „Küche“ (zweiflammiger Herd und Spüle).

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Budget Camping in der Stony Bay © www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de

Von Christchurch sind wir Anfang Oktober über den Arthur‘s Pass an die West Coast gefahren, dort hatte die Whitebait-Saison gerade begonnen und das mussten wir uns natürlich anschauen und probieren. Auf dem Pass lag allerdings Neuschnee. Unsere erste Nacht im Campervan, auf einem DOC-Campingplatz nahe Hokitika, war so kalt, dass wir alle Mützen trugen. Aneinandergekuschelt schliefen wir auf unserem Campervan-Bett sowieso.

Danach haben wir erstmal einige Wochen in Holiday Parks gecampt, damit wir unseren Bus beheizen konnten (dafür brauchten wir Stromanschluss). Als es wärmer wurde, haben wir vor allem auf den sehr schönen, naturnahen DOC-Campgrounds und auch viel freedom gecampt (natürlich nur an legalen Spots!).

An der Westküste regnete es dann so stark, dass am Haast Pass ein Stück des Highways wegrutschte. Wegen des kalten Sauwetters konnten wir uns praktisch nur in unserem kleinen Bus aufhalten. Deshalb fuhren wir schneller als gedacht auf die Nordinsel und kamen erst im Hochsommer zurück.

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Die frechen Keas auf dem Arthur’s Pass stört der Schnee nicht © www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de

WW: Wo hat es euch am besten gefallen? Und wo gar nicht?

Neuseelands Landschaft ist so unglaublich vielseitig. Was ist nun schöner: Regenwald, der aussieht, als käme gleich ein Dinosaurier aus der Kulisse gestapft, oder die wilden schwarzen Strände an der Westküste der Nordinsel? Die windzerzausten Hügel samt schief gewachsener Bäume in den menschenleeren Catlins oder die „coolest little capital“ Wellington, wo wir noch dazu Freunde haben?

Wegen der Berge hatte ich vorher immer gesagt, die Südinsel sei mir die liebere, aber auf dieser Reise haben wir rund ums East Cape – also auf der Nordinsel – so unfassbar nette und gastfreundliche Menschen kennengelernt, dass wir nun leider sagen müssen: Sorry, diese Frage lässt sich nicht beantworten :-)

Gar nicht gefallen hat es uns auf einem ziemlich abgerockten Campingplatz mit sehr schrägem Besitzer samt Pitbull in Te Puke. Und dem Hippie-Hostel „Shambala“ in Golden Bay haben wir gleich wieder den Rücken gekehrt, nachdem der überraschend unentspannte Eigentümer erklärte, „zu laute Kinder“ würden die anderen Gäste stören.

Der MaiTai Valley Campground bei Nelson: Hier lernten wir Shane, einen sehr netten und guten Mechaniker, kennen, der den Motor unseres alten Busses komplett überholte © www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de

WW: Lohnt sich Neuseeland als Reiseziel für Feinschmecker? Was sollte man auf keinen Fall verpassen?

Das kommt auf den Feinschmecker an! Sterne-Restaurants sucht man in Neuseeland (noch) vergeblich. Aber „Farm-to-fork“ ist dafür ganz groß: Selbst in kleinen Ortschaften findet man handwerklich richtig gut gemachtes Essen aus ausgezeichneten, oft einheimischen Produkten. Das liegt weniger an der Milchindustrie, Neuseelands größtem Wirtschaftszweig. Die Kunst des Käsemachens ist überraschenderweise noch ein sehr zartes Pflänzchen, geschmackloser Cheddar dominiert die Kühlregale. Typische neuseeländische Produkte sind neben dem auch bei uns bekannten Lammfleisch, Kiwis und Wein natürlich Fisch und Meeresfrüchte, zum Beispiel Pauas, Crayfish oder Seeigel, den die Maori Kina nennen, Austern aus Bluff oder direkt vom Felsen eines x-beliebigen Strandes gesammelt, Grünlippenmuscheln, Whitebait von der West Coast, selbst geangelte Forellen, Gebirgslachs aus Twizel, Pfirsiche und Kirschen aus Central Otago, aromatische (!) Avocados aus der Golden Bay, Kumara aus Northland, Craft Beer aus kleinen Brauereien überall im Land, Wildpflanzen, die schon die Maori aßen, wie zum Beispiel Farnspitzen oder für Experimentierfreudige „Muttonbird“ von einer der vorgelagerten Inseln. Der Vogel schmeckt nach Sardelle, man kann ihn zum Beispiel im „Fleur’s“ in Moeraki Village probieren.

Nicht zu vergessen die Farmer’s Markets, auf denen man die lokalen Produkte findet. Ich könnte noch weiter aufzählen, aber stöbert doch am besten mal auf der Karte in unserem Blog!

www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de Possum Pie

Possum sieht man in Neuseeland vor allem als „Road Pizza“ … in einem skurrilen Pub in Pukekura bekommt man auch Possum Pie © www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de

WW: Was war euer Lieblingsessen in Neuseeland?

Wir haben sehr oft Fisch gegessen, weil man den einfach superfrisch bekommt. Selbst gesammelte Muscheln – Grünlippen oder Herzmuscheln – waren auch ein Favorit. Ich muss außerdem gestehen, dass ich süchtig nach Pies bin … diesen Aufback-Dingern, die man in Neuseeland bei jedem sogenannten Bäcker bekommt.

WW: Klingt, als wärst du hart im Nehmen ;-) Was hast du in Neuseeland vermisst?

Gutes Brot! Wer nur zwei, drei Wochen im Land ist, der kann sich vielleicht mit Toast arrangieren. Bei uns entstand da echter Leidensdruck. Wann immer wir unterwegs einen „Artisan Baker“ entdeckten, der echtes Sauerteigbrot backte (nicht das, was in den Supermärkten unter diesem Namen verkauft wird….), kauften wir gleich drei, vier Laibe. Unsere Bäcker-Liste ist übrigens der beliebteste Artikel auf unserem Blog.

Für die „Durststrecken“ hatten wir immer Knäckebrot (eine Entdeckung im Pak’n’Save) und Pumpernickel (gibt’s im Regal mit den internationalen Spezialitäten im New World) an Bord.

Julia mit PikoPiko Brot

Julia mit PikoPiko-Brot von Maori-Koch Charles Royal © www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de

WW: Neuseeland mit Baby, kannst du das empfehlen?

Unbedingt! Als wir ankamen, war unsere Tochter fünfeinhalb Monate alt, bei der Abreise ein gutes Jahr. Sie hat an einsamen Stränden krabbeln und auf Treibholzstämmen und anderen Natur-“Spielplätzen“ wie eine Gemse klettern gelernt, noch bevor sie laufen konnte. Natürlich haben wir unser Tempo der kleinsten Mitreisenden angepasst. Der Campervan war ideal: Das war die vertraute Basis bei all der Rumreiserei. Alles, was wir brauchten, war drin und ermöglichte uns spontane Pausen zum Kochen, Essen, Spielen, Krabbeln, …

In sieben Monaten, in denen wir sehr viel Zeit bei Wind und Wetter draußen verbrachten, hatte unser Baby ein einziges Mal einen kleinen Infekt – kaum waren wir zurück in Berlin, reihten wir uns in die berühmt-berüchtigte Kranheiten-Polonaise ein, die wohl alle Eltern kleiner Kinder kennen. Neuseeland hat eine ausgezeichnete medizinische Versorgung, falls man sie denn doch braucht, sowie in jedem größeren Ort „Plunket“, das ist ein Netzwerk von Hebammen und Krankenschwestern.

Im Grunde gibt es in Neuseeland nur eine Sache, die gerade kleinen Menschen gefährlich werden kann: die Sonne. Da wir Sonnencreme nicht so toll für Babies finden, hatte unsere Tochter immer lange, luftige Sachen an, Gesicht und Hände haben wir mit LSF 50 (gibt es sehr günstig in jedem Geschäft) behandelt.

Ach ja, und dann sind da natürlich noch die Sandflies, die viele Strände auf der Südinsel in großen Schwärmen heimsuchen. Nicht gefährlich, aber sehr lästig, die Bisse jucken ewig. Giftige oder gefährliche wilde Tiere gibt es hingegen gar nicht.

www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de Am Mount Cook

Am Mount Cook © www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de

WW: Was hat Frieda denn gegessen?

Alles, was wir gegessen haben :-) Das ging natürlich in Neuseeland erst los mit der festen Nahrung, parallel wurde sie noch gestillt. Aber sie hat schon mit sechs Monaten Whitebait probiert und auf dem Rückflug in Südkorea sogar Kimchi.

 

WW: Zum Schluss das Kreuzverhör.

  • Was ist besser: Nord- oder Südinsel? Gegenfrage: Essen oder trinken? ;-)
  • Auckland oder Wellington? für uns Berliner ganz klar Wellington.
  • Strand oder Berge? mal das eine, mal das andere
  • Im Campervan kochen oder essen gehen? selbst kochen – an immer neuen, atemberaubend schönen, menschenleeren Orten
  • Marmite oder Vegemite? Marmite! Sehr lecker zum Beispiel zusammen mit Avocado oder Spiegelei auf Brot.
  • Neuseeland oder Deutschland? Tja …..

WW: Wirst du nach Neuseeland zurückkehren oder ist das Land für dich jetzt „abgegessen“?

Ich war gerade wieder dort – und es fühlte sich ein bisschen an wie nach Hause kommen. Leider diesmal allein und auch nur für eine gute Woche, um eine Tourismusmesse zu besuchen. Ich hoffe, wir können bald wieder mit der ganzen Familie nach Aotearoa. Es gibt immer noch viel zu entdecken und inzwischen auch Freunde, die wir wiedersehen wollen.

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Schwarzer Strand bei Raglan © www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de

WW: Deinen hervorragenden Blog „Jäger des verlorenen Schmatzes“ haben wir während eurer Reise mit Vergnügen gelesen. Wirst du hier weiterbloggen und wenn ja, worüber?

Danke :-) Klar blogge ich weiter! Auch in Deutschland gibt es unbekannte oder in Vergessenheit geratene Leckereien zu entdecken. Und die nächste Reise kommt bestimmt. Die Neuseeland-Fans unter meinen Lesern dürfen sich zuerst allerdings auf etwas anderes freuen: Aus meinen kulinarischen Recherchen entsteht gerade ein Buch!

WW: Ich danke dir für das Interview, liebe Julia!

Ich danke dir für deine Geduld ;-)

www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de Purakaunui Bay

Goodbye aus der abgelegenen Purakaunui Bay in den Catlins © www.jaegerdesverlorenenschmatzes.de

 

Jenny

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