Japan

Interview: Elternzeit in Japan – per Campervan

! Aktualisiert am 2. Juli 2020

Eine Woche vor ihrer Abreise nach Japan schrieben uns Samira und ihre Familie eine Mail. Wir waren da gerade aus Japan zurückgekehrt und voller Begeisterung für Tohoku. Schnell war klar: Samira und ihre Familie würden während ihrer Elternzeit in Japan auch den Norden erkunden. Ob es sich gelohnt hat? Lest selbst!

© Samira Gruber Nachi Elternzeit in Japan

Japan ist ein tolles Familienreiseziel! © Samira Gruber

Weltwunderer: Liebe Samira, erzähl uns doch als erstes bitte etwas über dich und deine Familie: Wer seid ihr?

Samira: Unsere Familie besteht aus mir, meinem Mann und unseren beiden Töchtern, 3 Jahre und 9 Monate. Wir sind ursprünglich aus Dresden, haben aber während meiner Studienzeit in Darmstadt gewohnt. 2016 habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer Institut angefangen und so sind wir wieder zurückgekommen.

WW: Wie kam es dazu, dass ihr neun Wochen eurer Elternzeit in Japan verbracht habt?

Samira: Wir haben uns die zweite Elternzeit so vorgestellt: Die ersten sechs Monate bleibe ich zu Hause, dann wollten wir uns Zeit nehmen, zwei Monate gemeinsam wegzufahren. Danach arbeiten wir beide 20 Std./Woche und teilen uns die Betreuung der Baby-Tochter bis zum Kita-Start mit einem Jahr. Bei unserer ersten Tochter hatte ich noch studiert und wir konnten die Gelegenheit nicht wahrnehmen, gemeinsam zwei Monate wegzufahren.

© Samira Gruber Elternzeit Japan

Mit Baby durch Japan? Kein Problem © Samira Gruber

Für die Elternzeit in Japan haben wir uns nach dem Ausschlussprinzip entschieden:

  • ein uns unbekanntes Land weit weg, damit sich die anstrengende Flugreise lohnt
  • kein Malariagebiet
  • gute Infrastruktur

Australien und Neuseeland fielen wegen der Jahreszeit durch, denn ich wollte ins Warme. Die USA hatten wir schon bereist, Kanada war mir zu groß. Thailand war wegen der Jahreszeit nicht optimal und irgendwann warf mein Mann Japan in den Raum. Nach kurzer Recherche buchten wir die Flüge.

WW: Habt ihr euch vor der Reise informiert genug gefühlt? Konntet ihr Japanisch?

Samira: Ich habe mir den Lonely Planet Reiseführer gekauft und Blogs gelesen. Vor allem natürlich eure Berichte zu eurer Japanreise mit Kindern. Von euch hatte ich auch die Idee, einen Campervan zu mieten.

WW: Welche Erwartungen hattet ihr an Japan?

Samira: Wir wollten die Chance wahrnehmen, ein unbekanntes Land zu entdecken. Deswegen hatten wir keine großen Erwartungen und wollten uns lieber überraschen lassen. Ich habe mich im Vorfeld auf die andere Kultur und das Essen gefreut.

© Samira Gruber Yuzawa Elternzeit Japan

Am Wegrand in Yuzawa © Samira Gruber

WW: Habt ihr eure Route vorher festgelegt? Gab es „Must sees“ für euch?

Samira: JapanCampers konnte uns einen Campervan für die letzten sechs Wochen unserer Reise anbieten. Zuerst wollte ich vor allem den Süden bereisen. Dank der Flexibilität mit dem Campervan konnten wir diese Pläne zwei Wochen vor Abflug über Bord werfen und doch noch in den Norden fahren. Im August wird es ja sehr, sehr heiß in Japan.

Für die ersten zwei Wochen haben wir über Airbnb eine Wohnung in Tokio gemietet und die meiste Zeit in der Stadt verbracht. Auf meiner „Must-See“ Liste waren die Klassiker Tokio, Kyoto, Fuji und eigentlich auch Hiroshima. Das haben wir dann doch nicht geschafft, aber dafür ja den Norden kennengelernt.

WW: Ganz ehrlich: Wie hart war der Kulturschock?

Samira: Überraschend wenig. Tokio ist eben auch einfach eine Großstadt. Es gibt Metros, Parks und kulturelle Highlights. Wir waren überrascht, dass wir uns wirklich kaum verständigen konnten mit Englisch, und mich persönlich hat die Verpackungswut und Wegwerfgesellschaft gestört. Ansonsten haben wir uns aber auch offen auf die Kultur eingelassen.

© Samira Gruber Feuerwehrmuseum Tokio Elternzeit Japan

Familientipp: Feuerwehrmuseum in Tokio © Samira Gruber

WW: In Tokio habt ihr es ruhig angehen lassen. Welche Tipps habt ihr für Eltern mit kleinen Kindern dort?

Samira: Uns hat besonders das „Tokyo Toy Museum“ gefallen (auch das „Science Museum“ und das „Tokio Edo Museum“) und das kostenlose Planschbecken am Metropolitan Building.

Einen Kinderwagen haben wir nicht vermisst, mit der Trage für die Kleine und Papas starken Armen für die Große konnten wir uns super bewegen. In vielen Museen kann man sich auch Kinderwagen ausleihen. In Restaurants würde ich darauf achten, die Plätze mit Tatami-Matten zu nehmen, da können die Kinder auch mal aufstehen und Babys krabbeln.

WW: Welche Route habt ihr von Tokio aus genommen?

Samira: Wir sind wegen der Hitze im Süden erst einmal nach Norden gefahren. Da hatten wir folgende Stationen: Nikko, Lake Inawashiro, Bandai-san Plateau, Yonezawa, Zao-san, Yamadera, Geibikei-Schlucht, Ryosendo-Höhle, Sanriku Coast (die Tsunami-Küste), Shimokita-Halbinsel mit Osore-san, Lake Tazawa, Kakunodate, Sakata, Niigata, Onioshidashi Park.

Dann ging es in die japanischen Alpen nach Matsumoto, Takayama, Ainokura und ins Fukui Dinosaurier-Museum. Als nächstes stand Kyoto auf dem Programm, wo wir aber nur zwei Tage waren, weil wir schnell von den Tempeln gesättigt waren und die ständigen hohen Parkgebühren satt hatten.

© Samira Gruber Kyoto Fushimi Inari Japan

Pflichtbesuch in Kyoto © Samira Gruber

Dann fuhren wir nach Himeji und auf die Awaji-Insel, änderten dann noch mal unsere Route und fuhren nicht auf die Insel Shikoku, sondern nahmen uns lieber mehr Zeit für die Kii-Halbinsel mit Nara, Koya-san, Shirahama, den Felsformationen in Hashiguiiwa und Nachi. Dann ging es langsam wieder in Richtung Tokio über Nagoya, den Fuji und die Izu-Halbinsel.

WW: Ihr wart im Hochsommer in Japan unterwegs – gute Entscheidung oder nie wieder?

Samira: Zum Glück hatten wir den Campervan und konnten unsere Route kurzfristig ändern. Ich habe den Sommer mit seinen heißen Temperaturen bei der Buchung im April tatsächlich unterschätzt. Letztendlich waren wir froh, den Norden gesehen zu haben und dort waren die Temperaturen viel angenehmer im August als im Süden.

Nikko zur Obon-Woche war allerdings eine Fehlentscheidung. Dort war es trotz Dauerregen so überfüllt, dass wir kaum einen Schritt tun konnten.

© Samira Gruber Nikko Japan Elternzeit

Nikko: vor allem Regen und Touristenmassen © Samira Gruber

WW: Im Campervan durch Japan, das ist schon ungewöhnlich. Wie fandet ihr es im Nachhinein?

Samira: Es war die beste Entscheidung. Den Kindern gab es Struktur und eine gewohnte Umgebung, besonders für das Schlafen. Außerdem mussten wir nicht im Voraus Unterkünfte buchen, was im Sommer schwer werden kann. Und wir hatten mit dem Campervan viel Flexibilität und konnten unsere Route jederzeit anpassen.

WW: Habt ihr andere deutsche (oder wenigstens nicht-japanische) Familien getroffen?

Samira: Auf der Izu-Halbinsel haben wir eine deutsche Familie auf dem Rastplatz getroffen, die ebenfalls mit einem Campervan von JapanCampers unterwegs war. Ansonsten haben wir einmal eine Deutsche auf dem Spielplatz getroffen, die schon seit 20 Jahren in Japan wohnte. Insgesamt haben wir aber wenig Kontakt mit anderen Ausländern gehabt.

© Samira Gruber JapanCampers Campervan Japan

Perfekt für einen Japan-Roadtrip: der Campervan von JapanCampers © Samira Gruber

WW: Was waren eure Highlights in Japan, was hat euch überrascht?

Samira: Mir wird vor allem das Essen in Erinnerung bleiben: die unzähligen Abwandlungen von Nudelsuppen, Currygerichten und Sushi sowie Thunfisch und Rindfleisch von hoher Qualität.

Außerdem hat mich überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit Japan seine Geschichte und Kultur heute noch in den Alltag integriert. Ob kleine Schreine mitten in der Großstadt oder auf entlegenen Inselchen, traditionelle Kleidung in der Fußgängerzone oder große touristische Tempelanlagen: Die Geschichte ist allgegenwärtig spürbar.

© Samira Gruber Koya-san Elternzeit Japan

Koya-san: Mit Baby und Kind auf dem größten buddhistischen Friedhof der Welt © Samira Gruber

WW: Und wo hat es euch so gar nicht gefallen?

Samira: In Nikko hat es in Strömen geregnet und wir waren zu einer äußerst ungünstigen Zeit dort: in der Obon-Woche. Wir konnten die Sehenswürdigkeiten nicht genießen, weil wir uns mit gefühlt ganz Japan durch die Anlage schoben und mit unseren Schirmen fast gegenseitig aufspießten.

Das gleiche Erlebnis hatten wir in Tokio beim Asakusa-Schrein und in Kyoto beim Goldenen Pavillon. Die typischen Sehenswürdigkeiten sind ganzjährig hoffnungslos überlaufen, und dabei waren wir nicht mal zur Kirschblüte oder Herbstlaubfärbung da. Da waren wir doch froh, schnell in unseren Campervan zu steigen und weiter in ruhigere Gegenden fahren zu können.

WW: Was würdet ihr beim nächsten Mal Japan anders machen, was nicht?

Samira: Zwei Wochen in Tokio waren schon sehr lang. Wenn ich an der Route nochmal was ändern könnte, hätte ich wahrscheinlich eine Unterkunft in Tokio und Kyoto für je eine Woche gebucht. Mit dem Shinkansen dauert es auch nur vier Stunden.

© Samira Gruber Shimoda Izu Peninsula Elternzeit Japan

Traumstrand in Shimoda auf der Izu Peninsula © Samira Gruber

WW: Habt ihr einen Tipp, an den man mit Kindern unbedingt denken sollte?

Samira: Es braucht, wie gesagt, keinen eigenen Kinderwagen. Wenn man nicht mehr stillt, sollte man seinen Milchpulverbedarf lieber mitbringen. Auch ein kleiner Windelvorrat für die ersten Tage ist gut. Gerade in Tokio war es schwer, Windeln für Babys zu finden.

WW: Und zuguterletzt: Würdet ihr anderen Familien mit Babys und Kindern Japan als Reiseziel empfehlen?

Samira: Auf jeden Fall! Japan ist eines der kinderfreundlichsten Länder, das wir je bereist haben. Überall gibt es Wickelmöglichkeiten, Spielplätze, und in Restaurants werden immer Kindergeschirr und Kinderstühle angeboten.

Dazu ist alles sauber, das Essen ist nicht scharf gewürzt und es gibt tolle Strände, die man fast ganz für sich allein hat. Wir sind begeistert von Japan und würden auch noch einmal hinfahren!

© Samira Gruber Fuji san Japan Elternzeit

Und zum Schluss noch ein Traumblick auf den Fuji-san © Samira Gruber

Wir danken dir für das Interview, liebe Samira!

Wer (viel) genauer lesen möchte, was Samira und ihre Familie bei der Elternzeit in Japan erlebt haben, der schaut am besten auf ihrem Reiseblog Japanfamilienzeit vorbei. Und wer jetzt Lust auf Japan bekommen hat, der schaut sich direkt hier bei unseren Japan-Tipps um!

Jenny

7 Kommentare

  • Japan steht auf meiner Reisewunschliste ganz ganz oben. Es gibt inzwischen (fast) kein Argument mehr gegen das spannende Land. Dein Interview hat mich da noch einmal beflügelt. Heute ist Familienrat. ;-)
    Liebe Grüße, Ines

    • Naja – der Flug und das damit verbundene Kohlendioxid wären halt ein Contra-Argument. Aber das kann man ja immerhin kompensieren…

      Ich bin gespannt, was der Familienrat sagt!

  • Ich lese solche Berichte immer supergern.
    Wir selbst haben das ja alles nie richtig hinbekommen mit den langen Auszeiten, und ich bewundere diejenigen, die das in ihrem Leben irgendwie möglich machen, sehr.
    Ich glaube, ich hätte die Erfindung des Internets einfach zehn Jahre eher gebraucht … ;-) Wenn ich solche Berichte hätte lesen können, wäre ich viel vorbehaltloser an das Thema herangegangen!
    Liebe Grüße!
    Ines-Bianca

  • Japan reizt mich schon länger, vor allem, weil ich viele japanische Kollegen habe, die ich gerne einmal besuchen würde. Das Interview macht Lust auf mehr und ich werde gleich mal bei Japanfamilienzeit vorbeischauen.
    Viele Grüße
    Charnette

  • Das klingt nach einer hervorragenden Elternzeitreise. Japan steht nicht sehr weit oben auf meiner Bucket-Liste, aber es steht drauf, da ich, nachdem uns japanische Touristen auf unserer Weltreise leider mehrmals als sehr anstrengend und teilweise störend immer wieder aufgefallen sind, unbedingt mal schauen möchte, wie sie sich als Nicht-Touristen im eigenen Land verhalten. Danke für die Inspiration, bei Gelegenhei werde ich drauf zurückkommen.

    • Na sowas, Japaner sind doch immer so zurückhaltend und höflich… Waren das sicher nicht Koreaner, Taiwaner oder Chinesen, die euch da negativ aufgefallen sind?
      Anyway: Japan ist so ein tolles Reiseziel, vor allem weil es eben nicht bei jedermann auf der Bucket List steht. Von mir aus kann das auch gern so bleiben ;-)

      Liebe Grüße
      Jenny

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