Eure Neuseeland Reiseberichte

Blog-Interview: Sabbatical in Neuseeland mit schulpflichtigen Kindern – das geht?!

! Aktualisiert am 15. Juli 2021

Kjsnhaag – wasn das für ein Blog-Titel? Die Auflösung ist einleuchtend: Karin und Jochen Haag kehrten 2008 dem geregelten deutschen Beamtenalltag den Rücken, um mit ihren Töchtern Sara und Nina (damals zehn und fünf Jahre alt) ein fünfmonatiges Sabbatical in Neuseeland zu verbringen. Und die Schule??? Das wollten wir genauer wissen!

Weltwunderer: Warum hattet ihr Neuseeland als Reiseziel ins Auge gefasst?

Jochen Haag: Wir beide waren nach unserem Examen 1994 im Rahmen einer knapp siebenwöchigen Südseereise mit dem Rucksack für vier Wochen in Neuseeland gewesen. Das Land hat uns damals so fasziniert, dass wir uns vornahmen, irgendwann zurückzukehren und das Land „in Ruhe“ zu bereisen. Dafür genügte ein normaler Jahresurlaub aber nicht …

WW: Also, was tun?

Dolphin Discovery in der Bay of Islands

Als verbeamtete Grund- bzw. Hauptschullehrer haben wir vier Jahre lang auf ein Fünftel unseres monatlichen Gehalts verzichtet und damit ein „bezahltes“ Freistellungsjahr angespart. Als wir die Entscheidung trafen und die Genehmigung unseres Dienstherrn einholten, war uns aber nicht bewusst, wie viele Klippen bis zur Realisierung uns noch bevorstehen würden!

Niemand in unserem Umfeld hat wirklich geglaubt, dass wir das durchziehen. Wir hatten gerade erst ein Haus gebaut, Nina war erst 2 Jahre alt. Für viele war auch nicht vorstellbar, wie wir das finanziell hinbekommen wollten und welche Konsequenzen es für die Schullaufbahn der Mädchen haben würde.

WW: Wie viel Vorbereitung war für das Sabbatical nötig – und für die Schulfreistellung?

Rückblickend betrachtet, waren die Vorbereitungen für das Sabbatical nicht sonderlich aufwendig. Trotzdem gab es so manche Nacht, in der wir an unserem Vorhaben gezweifelt haben. Eine Konsequenz dieser Bedenken war die Reduzierung des Reisezeitraums von zehn auf fünf Monate.

Überraschend reibungslos waren die Verhandlungen mit Saras neuer Schule. Sie wechselte im September 2008 von der Grundschule in die fünfte Klasse des Gymnasiums. Bereits bei der Anmeldung haben wir das Gespräch mit der Schulleitung gesucht. Der Rektor und der Klassenlehrer fanden unsere Idee spannend und sie legten uns keine Steine in den Weg. Wir verabredeten, dass wir Sara in Deutsch, Englisch und Mathematik unterrichten würden. Nach unserer Rückkehr im Frühjahr 2009 sollte sie dann wieder in den regulären Unterricht ihrer Klasse einsteigen und man würde sehen, ob sie die Anforderungen der 5. Klasse erfüllen könne. Außerdem versprachen die Mitschüler und deren Eltern, uns per E-Mail jede Woche über den aktuellen Lernstoff zu informieren.

WW: Was ist der größte Unterschied so einer langen Reise zu einem „normalen“ Urlaub?

Wanderung am Mount Taranaki

Wanderung am Mount Taranaki (c) kjnshaag

Wir haben die Reise nicht als Urlaub empfunden. Es war vielmehr ein kleiner „Lebensabschnitt“, in dem nicht die Arbeit im Mittelpunkt stand, sondern wir, die Familie, und auch das Kennenlernen eines fremden Landes und die damit verbundene Horizonterweiterung. Es war – nach einigen sehr intensiven Jahren mit dem Schwerpunkt auf Karriere, Familiengründung und Hausbau – eine Art „Ausstieg auf Zeit“.

WW: Neuseeland ist ja nicht billig und ihr wart lange unterwegs – hat das Budget gereicht?

Unser Budget war alles andere als üppig. Zur Finanzierung der Flüge (insgesamt ca. 4.500 Euro) haben wir gleich nach der Beantragung unseres Freistellungsjahrs – das war 2004! – monatlich etwas auf die Seite gelegt. Der Verkauf unseres Autos im Herbst 2008 legte den Grundstein für den Kauf eines Autos in Neuseeland. Ein Mietwagen wäre für diese lange Zeit viel zu teuer gewesen, aus demselben Grund wollten wir auch nicht mit dem Wohnmobil reisen.

Durch die monatlichen Lohnfortzahlungen hatten wir jeden Tag eine gewisse Summe zur Verfügung. Davon wurden Übernachtungskosten, Benzin, Verpflegung, Eintrittsgelder usw. bestritten. Zusätzlich kam noch einiges an Kosten für die Ausrüstung (Haftpflichtversicherung fürs Auto, Prepaid-Vertrag fürs Handy, Kindersitze, Geschirr, Kühltasche …) hinzu.

Uns war klar, dass wir nicht in Saus und Braus – wie in einem zweiwöchigen Jahresurlaub – leben würden. Übernachtet haben wir hauptsächlich in Cabins auf den Campingplätzen. Anfangs waren wir dabei nicht anspruchsvoll, doch mit zunehmender Dauer des Vagabundenlebens wurde uns ein wenig Komfort (eigenes WC, Waschbecken, Dusche) wichtig. Auch wenn das Wetter mal schlechter war (z. B. an der West Coast), gönnte man sich gern mal ein wenig mehr Platz und eine anspruchsvollere Ausstattung.

WW: Was war denn euer wichtigstes Gepäckstück?

Eine typische Cabin in Motueka

Eine typische Cabin in Motueka (c) kjnshaag

Unser wertvollstes Gut waren zweifellos Bücher. Auf jedem Campingplatz machten wir uns auf die Suche nach Deutschen, um Lektüre einzutauschen. Es fanden sich immer irgendwo deutsche Bücher!

Ob wir einen Laptop mitnehmen sollen, hatten wir lange überlegt. Weil wir ein Reisetagebuch führen wollten, rangen wir uns dazu durch. Das war klug, wir konnten so im Internet recherchieren und buchen, in Kontakt mit der Heimat bleiben, Musik hören, DVDs schauen, spielen und uns ablenken.

WW: Wie bzw. womit wart ihr denn überhaupt unterwegs?

In Auckland haben wir uns für etwa 8.000 NZ$ (damals ca. 3.500 Euro) einen gebrauchten japanischen Van gekauft. Das Auto war äußerst zuverlässig und wir hatten außer einem kleineren Reifenschaden keine Probleme. Bei mehr als 15.000 gefahrenen Kilometern war das nicht selbstverständlich! Rechnet man den Wiederverkaufspreis vom Kaufpreis ab, hat uns der Honda in den fünf Monaten 3.000 NZ$ gekostet, das sind nicht mal 1.500 Euro. Ein Mietwagen in dieser Größenordnung wäre weitaus teurer gewesen.

Die Haftpflichtversicherung für 400 NZ$ war im Endeffekt unnötig und wäre auch nicht vorgeschrieben gewesen, trotzdem war sie uns – als typische Deutsche – wichtig.

WW: Wie hat das Kaufen und Verkaufen geklappt?

Weil wir nicht viel Ahnung von Autos haben, lag uns diese Anschaffung im Vorfeld wie Blei im Magen. Bei der Suche nach Gebrauchtwagenhändlern trafen wir zum Glück einen äußerst freundlichen jungen Engländer, der uns sehr gut beraten hat. Auch die Zulassung und der TÜV („warranty of fitness“) wurden von ihm übernommen, alles lief völlig reibungslos.

Die Ungewissheit in Bezug auf den Verkauf des Autos hat uns vorher sehr belastet, denn wir standen ja unter einem gewissen Zeitdruck. Damit wir für diese Phase genügend Zeit hatten, führte uns die Reise am Schluss noch einmal ins Northland, weil wir von dort aus problemlos für Interessenten aus dem Großraum Auckland erreichbar waren.

For sale!

For sale! (c) kjnshaag

Der Wiederverkauf war dann kein Problem: Wir haben das Auto in den großen Zeitungen ausgeschrieben und es gleich an den ersten Interessenten für ca. 6.000 NZ$ verkauft. Im Nachhinein war die Sorge, beim Wiederverkauf nicht genügend Geld zu bekommen, zwar unbegründet, doch die gewerblichen Händler – an die wir uns sicherheitshalber auch gewendet haben – wissen genau, dass sie bei Touris den Preis gewaltig drücken können! Der Privatverkauf lief völlig problemlos und auch die Formalitäten beim Ummelden auf der Post (!) sind so unbürokratisch, dass man keine Angst davor haben muss.

WW: Was hattet ihr euch für die fünf Monate vorgenommen?

Wir hatten vor Beginn der Reise eine grobe Route im Kopf. Allerdings wollten wir eines nicht: uns unter Druck setzen und wieder von einem Hotspot zum nächsten hecheln. Das hatten wir 1994 – mit einem Zeitkontingent von vier Wochen – allzu extrem erlebt.

Konkret festgelegt war zu Beginn nur Auckland als Ankunfts- und Abflugsort. Demzufolge begannen wir unsere Rundreise im Oktober auf der Nordinsel, setzten kurz vor Weihnachten auf die Südinsel über und überquerten die Cook Strait dann Ende Februar wieder in Richtung Wellington. Auch angesichts des Klimas und des Jahreszeitenverlaufs war dies ganz sinnvoll.

WW: Und wo fandet ihr es am schönsten?

  1. Coromandel Peninsula mit Camping und BBQ in Bowentown (am Waihi Beach)
  2. Lake Wanaka (Tipp: die Wanderung zum Rob Roy Glacier)
  3. Trekkingtour im Abel Tasman National Park
  4. Rund um den Mount Taranaki (Tipp:  die Wanderung vom Visitor Centre aus)
  5. Sandfly Bay auf der Otago Penisula bei Dunedin
  6. Matauri Bay im Northland
  7. Te Papa Museum in Wellington
  8. Waipoua Kauri Forest im Northland
  9. Das Thermalbad in Hanmer Springs
  10. Menschenleere Buchten in den Catlins (Übernachtungstipp: Newhaven Holiday Park)
  11. Südinselquerung mit dem Tranzalpine-Zug von Greymouth nach Christchurch
  12. Bay of Islands mit “swimming with dolphins”
  13. Surfen in Raglan und heiße Quellen am Strand von Kawhia
  14. Akaroa auf der  Banks Peninsula
  15. Tagesausflüge um Auckland, z. B. Piha Beach oder die Inseln im Hauraki Gulf

WW: Und wo fanden es eure Mädels am schönsten?

Fotoshooting mit Rubgy-Star Rokocoko

Natürlich war die ständige Nähe zum Meer absolut toll. Außerdem waren beide – genau wie wir – von den Wäldern begeistert. Im Norden faszinierten uns die Kauri-Riesen und Farnbäume, im Süden die undurchdringlichen Regenwälder, zum Beispiel auf dem Weg zum Milford Sound. Weitere Highlights waren die Begegnungen mit Tieren: Kiwis, Keas, Seelöwen, Albatrosse, die Wale in Kaikoura und natürlich die Delfine, mit denen wir in der Bay of Islands schwimmen wollten (was dann leider nicht ging, weil sie Babys dabei hatten).

Besondere Erlebnisse für Sara waren auch die Besuche bei den Rugby-Spielen der „Hurricanes“ in Wellington und in Auckland bei den „Blues“, als wir am Spielfeldrand sogar zu einem tollen Fotoshooting mit Superstar Joe Rokocoko kamen.

WW: Wie sind die beiden denn mit der langen Reisedauer zurechtgekommen?

Die Große hat vom ersten Tag an alles in sich aufgesaugt und war unheimlich interessiert, während es der Kleinen nichts ausgemacht hätte, wenn wir gemeinsam ins Allgäu gefahren wären. Für sie war es toll, dass wir sehr viel Zeit füreinander hatten.

Und wir fanden es toll, dass Sara mit großer Freude ihre kleine Schwester „unterrichtete“. Vor allem auf langen Fahrten oder an Regentagen vertrieben die beiden sich mit gespieltem Schulunterricht die Zeit. Kontakte mit anderen Kindern auf den Campingplätzen ergaben sich ja eher selten, weil wir eben alle drei bis vier Tage weiterzogen. Häufig las Sara ihrer Schwester also Geschichten vor oder sie studierten die Reiseführer und das Prospektmaterial aus den Visitor Centres.

WW: Beschreibt doch mal einen typischen Tag auf eurer Reise!

Das ist schwer, weil die Tage an einem Ort sich deutlich von denen unterschieden, an denen wir unterwegs waren. Wir nannten diese Tage „Überführungsetappen“. Jochen mochte diese besonders (vom Ein- und Auspackstress abgesehen), weil man auf der Strecke viel Interessantes sehen konnte. Für die Kids waren die Fahrten weniger spannend.

Ein normaler Tag an einem Ort war geprägt von Alltagsritualen. Zunächst gab‘s die Morgenwäsche und -dusche im Waschsaal des Campingplatzes, Frühstück herrichten in der Gemeinschaftsküche, dann gab es meist ein wenig Unterricht für Sara, während Nina alternativ beschäftigt werden musste. Weil die Campingplätze meist ein vielfältiges Angebot für Kinder bereithielten, konnte/n sie sich auch oft selbst beschäftigen.

Dann haben wir meist etwas unternommen. Eine Besichtigung, einen Walk oder auch nur einen Bummel durch eine Stadt. Abends haben wir meist gemeinsam gekocht, Karten gespielt und gelesen. Zum abendlichen Ritual gehörte das gemeinsame Spielen und für uns Eltern ein Fläschchen Sauvignon blanc oder ein leckeres neuseeländisches Bierchen.

WW: Wie habt ihr Sarah in den fünf Monaten unterrichtet?

Wir unterrichteten mehr oder weniger regelmäßig die Hauptfächer Deutsch, Englisch und Mathematik. Dazu hatten wir die entsprechenden Lehrwerke und Arbeitsmaterialien dabei. Sara war in Englisch überdurchschnittlich motiviert, weil sie direkt und merklich vom Vokabelnlernen profitierte. Jedes Schild am Straßenrand, jedes Werbeplakat, jede Beschriftung im Supermarkt und jede Minute Radiohören oder TV-Schauen war zusätzliches „Lernen“. Mit zunehmender Reisedauer traute sie sich zu, auch selbst Gespräche zu führen und Erledigungen zu machen. Das zeigte sich übrigens auch bei Nina, die damals im letzten Kindergartenjahr war.

In Deutsch arbeiteten wir nur wenig parallel zu ihrer Klasse in Deutschland. Sara las sowieso sehr viel und gern und verfasste immer wieder Beiträge für unser Reisetagebuch. In Mathematik orientierten wir uns stärker an dem, was wir von zu Hause bekamen und versuchten, auf Augenhöhe mit den Klassenkameraden zu bleiben.

WW: Hat alles so funktioniert wie geplant?

Stunk wegen des Unterrichtens gab es selten. Wir hatten so viel Zeit, dass das nie ein größeres Problem war. In manchen Unterkünften war es jedoch von der Ausstattung und Größe ein wenig schwierig, eine ruhige Ecke zu finden.

Schwarze Füße an der Whale Bay bei Raglan

Sara hatte keinerlei Probleme, sich nach Ostern wieder in ihre Klasse einzufinden. Ihre schriftlichen Leistungen waren überdurchschnittlich und für ihr Abschlusszeugnis in Klasse fünf bekam sie sogar eine Auszeichnung. Sicherlich gründete der Vertrauensvorschuss, den uns die Schule gab, auf unserer Tätigkeit als Lehrer. Wir denken aber, dass das jeder einigermaßen gebildete Erwachsene begleiten kann.

WW: Das klingt alles so einfach und schön – gab es gar keine Probleme?

Doch, na klar. Wenn das Wetter mehrere Tage am Stück schlecht war, konnte das Aufeinandersitzen auf engstem Raum sehr belastend wirken. Da flogen zwischendurch immer wieder mal die Fetzen. Manchmal musste der eine oder andere mal ein paar Stunden allein etwas unternehmen. Hier birgt vor allem die We(s)t Coast Konfliktpotenzial. Für depressiv veranlagte Menschen ist dieser Landstrich nicht unbedingt zu empfehlen!

Auch das Leben aus dem Koffer wurde im letzten Viertel der Reise mehr und mehr lästig. Bei jedem Wechsel des Quartiers musste der komplette Hausstand ins Auto verladen und dann wieder ausgeräumt werden. Das machte am Ende doch ganz schön müde und reiseunlustig.

Zum Glück hatten wir während unserer Reise dreimal die Möglichkeit, bei Privatleuten (Freunde und Bekannte von Freunden) unterzukommen. Diesen Familienanschluss haben wir sehr genossen und diese Aufenthalte dauerten dann auch meist länger als zunächst geplant.

Auto und Familienzelt in der Matauri Bay

Auto und Familienzelt in der Matauri Bay (c) kjnshaag

Unser größter Reinfall: Weil wir die Zustände auf den Campingplätzen während der neuseeländischen Sommerferien kannten, schickten wir vorsichtshalber unser großes Hauszelt für teures Geld (ca. 100 Euro) per Post nach Auckland und am Ende für noch mehr Geld (ca. 150 Euro) wieder zurück. Wir haben genau eine (!) Nacht im Zelt verbracht. Das war in Matauri Bay im Northland, an einem der traumhaftesten Strände mit wunderschönem, idyllischem Campingplatz. Die Nacht auf den dünnen Therm-a-Rest-Matten war für uns Erwachsene und unsere Wirbelsäulen jedoch so ernüchternd, dass wir keine weitere Zeltübernachtung mehr machten. Wenn wir die Kosten für den Kauf und den Versand des Zelts zusammenrechnen, war das mit großem Abstand die teuerste Nacht während unserer Reise!

WW: Auf so einer langen Reise bekommt man ja viel mehr Einblicke in ein Land. Fandet ihr auch nach fünf Monaten noch alles toll in Neuseeland?

Neuseeland wird zwar immer noch mit intakter Natur gleichgesetzt, doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Die Landwirtschaft, der Weinbau und der Anbau von Sonderkulturen benötigen Unmengen an Süßwasser. Dieser unmäßige Wasserverbrauch macht sich in einigen Gegenden bereits bemerkbar. Böden versalzen und der Grundwasserspiegel sinkt. Insgesamt ist das Umweltbewusstsein gar nicht so hoch, wie man gemeinhin denkt.

Auch das Verhältnis zwischen Ureinwohnern (Maori) und Weißen (Pakeha) ist nicht gar so reibungslos, wie dies in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Viele Maori leben am Existenzminimum und leiden unter schlechter Ausbildung. In den einfachsten Jobs sind überdurchschnittlich viele Maori tätig, viele leben von Sozialhilfe und den Zuwendungen ihrer Stämme. Für den Reisenden macht sich das durchaus bemerkbar: Es gibt Regionen (Eastcape, Northland), wo die Kriminalitätsrate und die Zahl der Gewaltverbrechen deutlich gestiegen sind und wo inzwischen auch Reisende zu Schaden kommen. Wir sahen auf unserer Reise zwar teilweise die Armut (in Süd-Auckland und im  Northland) in solchen Brennpunkten, sind aber nie belästigt oder bedroht worden.

WW: Was war eure wichtigste Lektion von dieser Reise?

Es lohnt sich, Risiken einzugehen. Wir wurden mit unseren Planungen zunächst von vielen nicht ernst genommen und haben vielleicht selbst nicht so richtig geglaubt, dass wir es tatsächlich angehen werden. Im Nachhinein war es die richtige Entscheidung. Wir zehren heute noch von diesem Abenteuer und den deutschen Winter überstehen wir nur mit dem täglichen Schmökern in unserem Reisetagebuch, wenn wir nachschauen, wo wir an diesem oder jenem Tag gerade waren, was wir damals gemacht haben und was es an diesem Ort zu essen gab …

WW: Was würdet ihr anderen Familien raten, die mit Schulkindern nach Neuseeland reisen wollen?

Wer wagt, gewinnt! Lasst euch nicht abschrecken: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Selbst wenn unsere große Tochter ein Schuljahr verloren hätte, für ihr Leben hätte sie auf jeden Fall gewonnen! Für Nina war die Reise zu früh. Sie erinnert sich zwar beim Durchblättern des Fotoalbums oder beim Lesen im Reisetagebuch, so richtig eigene Erinnerungen hat sie aber nur noch wenige.

WW: Habt ihr mit dem Gedanken gespielt, ganz in Neuseeland zu bleiben?

Der Wunsch oder Traum, dort einmal zu leben und eventuell auch zu arbeiten, ist durchaus vorhanden. Schade, dass die dort keine Grund- und Hauptschullehrer brauchen! Der etwas geringere Lebensstandard wäre jedoch gewöhnungsbedürftig. Der Nachschub an ordentlichem Brot und deutscher Wurst müsste gewährleistet sein und auch unsere Mischbatterien fürs Waschbecken müssten mitgebracht werden. Allerdings waren wir alle vier nach fünf Monaten Vagabundenleben froh, wieder nach Hause in die eigenen vier Wände und zu den Verwandten und Freunden zurückzukommen.

Es war jedenfalls bestimmt nicht unsere letzte Reise ans andere (schönere!) Ende der Welt…

WW: Das hoffen wir für euch – vielen Dank für das ausführliche Interview, ihr „kjsnhaag“s!

Jenny

4 Kommentare

  • Liebe Familie Haag,

    auch wenn eure wunderbare Auszeit nun schon fast 8 Jahre her ist, hoffe ich dass der Kommentar dieses Blogs nocht funktioniert und Ihr mir weiterhelfen könnt:

    1. Zuerst einmal die wichtigste Frage, die uns sofort beim lesen ins Auge gesprungen ist. Wie funktioniert es, fünf Monate in Neuseeland zu bleiben, dabei zu reisen und kein Arbeitsvisum zu haben. Was für Möglichkeiten gibt es denn noch, als die bekannten 3-monatigen Touristendasein?

    2. Ist es wirklich ausreichend die Kids von der Schulanwesenheit zu befreien, wenn der Schulleiter sein o.k. gibt? Bei uns möchte die Sächsische Bildungsagentur darüber mitbestimmen, da das Schulgesetz eine solche Unterbrechng nicht vorsieht. Bedingung für eine Genehmigung ist die Beschulung am Aufenthaltsort. Was nun wiederum unsere vagabundische Auszeitidee nicht vorsieht…

    Habt Ihr einen Tipp oder wer kennt jemand, der uns weiterhelfen kann, die immer wieder anderen Antworten auf unsere Fragen zu beantworten.

    Vielen Dank und viele Grüße, Kathleen & René

    • Hallo René, damit du nicht zu lange warten musst, helfe ich mal aus:
      1. Es gibt auch die Möglichkeit, ein Touristenvisum für neun Monate, verlängerbar auf 12 Monate, zu beantragen. Siehe unser Beitrag zu den Visa-Bestimmungen.
      2. Oje, die Schulbefreiung. Wenn ihr schon soweit seid, dass ihr die Bedingung der Beschulung gestellt bekommt (das ist mitnichten selbstverständlich, viele andere deutsche Familien brauchen das nicht), bleibt euch eigentlich nur der Versuch, eure Kinder bei der Deutschen Fernschule oder der Clonlara-Schule anzumelden. Die Gebühren dafür sind extrem hoch und auch mit dem Bestätigungsschreiben der Fernschule habt ihr immer noch keine Garantie, dass dies vom Schulamt anerkannt wird, denn sie ersetzt nicht die Schulpflicht… Alles sehr verzwickt und bescheuert, tut uns sehr leid :-(
      Als Ultima Ratio wird oft empfohlen, das Kind zusammen mit einem Elternteil für die Zeit der Reise in Deutschland komplett abzumelden – dann fällt es auch nicht mehr unter die Schulpflicht (bekommt aber auch bei Abwesenheit von mehr als sechs Monaten kein Kindergeld mehr gezahlt!).
      Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr uns über die Entwicklung eures Schulfrei-Projekts auf dem Laufenden haltet!

  • Hey, Nadine – da träumen wir ja schon zu zweit. Ich denke aber, so unheimlich kompliziert ist das nicht mit dem Freistellen, man muss nur „Glück“ mit einer wohlgesonnenen Schulleitung haben. Schau mal bei Familie Lilienthal, die reisen auch mit ihren Söhnen und unterrichten den Großen selbst, obwohl er in der Schule ziemliche Probleme hat(te). Bei Kidsaway haben sie ein langes Interview dazu gegeben.
    Also: Einfach mal nachfragen! Ich werde mich beim nächsten Lerngespräch in der Schule auch mal aufraffen … Tschakka!

  • Ach ich würde sowas ja auch soooo gerne nochmal machen, aber ich befürchte mit schulpflichtigen Kindern geht das echt nur wenn man verbeamteter Lehrer ist. Ich kann mir nicht vorstellen das man das einfach so als Nullachtfünfzehn-Angestellter durchziehen kann. Ich würde mir jedenfalls gar nicht zutrauen meine Kinder selber zu unterrichten. Deutschland ist was die Schulpflicht angeht aber auch sehr streng. Ich habe auf Reisen immer wieder auch Familien mit Schulkindern getroffen. Aber die kamen dann meist z.B. aus der Schweiz. Und Campervan kaufen und wieder verkaufen fand ich in NZ damals sehr problemlos. Ist auch auf jeden Fall die kostengünstigste Variante. Wir haben unseren Campervan in den USA leider gerade absagen müssen, weil es so ein lachhaft teures Vergnügen geworden wäre. Sehr schade! LG, Nadine

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