Nachhaltig reisen

10 Gründe, warum wir (immer noch) ohne Auto leben

! Aktualisiert am 11. Oktober 2021

Seit Ende 2018 leben wir ohne (eigenes) Auto. Was anfangs ganz schön holprig lief, klappt inzwischen super. Wir haben uns an unser Leben ohne Auto so gewöhnt, dass wir das dauerhaft beibehalten wollen. Ohne Auto leben, dafür gibt es 10 gute Gründe!

Neuseeland Strand Mokau

Ein Leben ohne Auto ist möglich und sehr sinnvoll!

Ohne Auto leben ist für viele vollkommen undenkbar. Wir waren da schon einen Schritt weiter. Wir sprachen immerhin davon, „später mal“ unser Auto zu verkaufen – wenn die Kinder groß genug wären und keinen Kindersitz mehr bräuchten.

Wir haben uns eingeredet, dass es vorher einfach zu unpraktisch wäre, ohne Auto zu leben. Das ist natürlich Augenwischerei. Viele Menschen und auch Familien leben schon immer und ohne Probleme autofrei. Bis vor 50 Jahren war ein Leben ohne Auto die Regel und nicht die Ausnahme!

Der Unfall mit Totalschaden im Dezember 2018 war daher für uns ein Schubs, für den wir im Nachhinein richtig dankbar sind. Ohne ihn würden wir heute sicher noch lange nicht ohne Auto leben.

Nach einer Übergangsfrist, in der wir uns zunächst zähneknirschend, dann aber immer besser gelaunt im autofreien Alltag übten, ist uns nun klar: Wir brauchen kein eigenes Auto. Wozu denn? Wir haben ganz praktisch gelernt, dass das für uns Städter überhaupt nicht nötig ist – auch nicht mit Kindern und Kindersitzen. Und wir haben bemerkt, dass die meisten Argumente pro eigenes Auto nur auf eingeschliffenen Routinen und gelerntem Verhalten beruhen. Die muss man bewusst ändern, das ist am Anfang auch anstrengend und nervig.

Aber nach einer gewissen Umgewöhnungszeit fällt uns der Verzicht aufs Auto nicht mehr schwer. Im Gegenteil: Wir fragen uns heute, wieso wir nicht schon viel eher auf diesen Trichter gekommen sind.

Ohne Auto leben Grashüpfer

Ohne Auto leben: Dafür gibt es mindestens 10 Gründe!

10 Gründe, warum wir – auch mit Kindern – ohne Auto leben wollen

1. Wir sind schneller da

Jeden Morgen und jeden Nachmittag schaue ich ungläubig staunend auf die endlosen Stau-Schlangen, die unsere Straßen verstopfen. Und während ich auf meinem Fahrrad an der Blechlawine vorbeiziehe, tun sie mir wirklich leid – all die Menschen, die jeden Morgen und jeden Nachmittag genervt und gestresst zwischen Arbeit, Supermarkt und Zuhause pendeln. Ich kenne das Gefühl ja selbst, wenn man im Auto sitzt und es aber gar nicht so nutzen kann, wie man es eigentlich tun sollte: um schnell von A nach B zu fahren.

Dabei ist ein großer Teil der Blechlawine völlig überflüssig: 50 Prozent aller Arbeitswege sind kürzer als 10 km, ein Drittel kürzer als 5 km, sagt der ADFC. Mit dem Fahrrad schafft man die locker in 15 Minuten. Und da ist die nervenaufreibende Suche nach einem freien Parkplatz noch gar nicht eingerechnet!

Fähre Stenaline Autos

So viele Autos… (zugegeben, auf der Autofähre. Wer fotografiert schon einen Stau?)

2. Wir sind näher an der Natur

Wie gut die Morgenluft riecht, wie weich das Licht am Abend auf die Straßen fällt, wie anders sich der Tagesanfang im Herbst anfühlt, wie verschieden nass Regen sein kann: All das nehme ich viel deutlicher wahr, seitdem ich wirklich jeden Tag Rad fahren muss. Zurück zur Natur würde ich das noch nicht nennen, aber ein erster kleiner Schritt ist es schon.

„Schlechtes Wetter? Ab ins Auto.“ Das können wir ohne Auto nicht mehr so einfach sagen, und Überraschung: Schlechtes Wetter definieren wir inzwischen durchaus anders. Klar sollte man als wetterfester Fahrradfahrer eine gewisse Grundausrüstung haben. Mehr als eine ordentliche Regenjacke (die wir auch beim Wandern tragen), für den Kindersitz-Passagier ein Regencape und Handschuhe aus Windstopper-Material besitzen wir trotzdem nicht.

Bei richtigem Mistwetter haben wir immer noch Bus und Bahn zum Ausweichen – oder ein TeilAuto. Wenn wir wieder einmal mit dem Fahrrad vom Regen überrascht werden, lautet die Devise: Wir sind ja nicht aus Zucker.

Und wenn es so richtig stürmt, schüttet oder schneit? Dann sage ich jetzt auch einfach mal: „Sorry, bei dem Wetter gehen wir nicht raus.“ Nachhaltigkeit heißt auch mal: Dinge nicht machen. Die wenigsten Termine sind so lebenswichtig und entscheidend, dass man sie wirklich nicht verschieben kann.

Fahrrad Schnee

Schlechtes Wetter? Gibt’s nicht!

3. Wir sind fitter

Wir alle bewegen uns viel zu wenig. Das gilt schon für Grundschüler, die den halben Tag stillsitzen müssen. Mindestens 30 Minuten Bewegung am Tag empfehlen die Krankenkassen dringend, wenn man das Risiko von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf etc. für sich senken will. Die haben wir jetzt locker, und das wirkt sich deutlich auf die Fitness aus: Anstiege in unserer recht hügeligen Stadt meistere ich zu meinem eigenen Erstaunen immer besser!

4. Wir haben ein besseres Gewissen

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, nur die AfD hat es (wie immer) nicht verstanden: Das Auto hat keine Zukunft in der Stadt. Egal ob elektrisch, mit Wasserstoff oder atomar betrieben: Auf lange Sicht ist es unmöglich, dass in den Städten jeder sein eigenes Auto fährt – es ist schlicht nicht genug Platz dafür.

Die Blechkisten stehen 22 Stunden am Tag ungenutzt in der Gegend herum, damit man zweimal am Tag damit hin- und herfahren kann. Dafür wird unglaublich viel Stellplatz für andere Nutzungsmöglichkeiten versperrt, und meistens auch noch versiegelt. Wenn ich mir vorstelle, wie alle diese geparkten Autos einfach verschwinden – wie schön könnte eine Stadt aussehen!

Wir nehmen nun keinen Platz auf der Straße mehr weg, der sich viel besser nutzen ließe: für Spielstraßen, Straßencafés, Bäume, Fußgänger. Und unser CO2-Fußabdruck ist nebenbei um etliche Kilo Kohlendioxid geschrumpft.

Fahrradfahren

Leben ohne Auto: für die Zukunft unserer Kinder

5. Wir sind viel entspannter

Auto fahren stresst, vor allem in der Stadt. Das merke ich immer wieder, wenn ich doch mal eines brauche (und mich dann sofort ärgere, warum ich das gemacht habe…). Ich sitze hinter dem Lenkrad, trommele nervös darauf herum, trete aufs Gas und auf die Bremse und schimpfe dabei auf die anderen Verkehrsteilnehmer – die mich weder hören noch sehen können hinter der Windschutzscheibe.

Und natürlich fahre ich, wenn ich ein Auto habe, immer auf den letzten Drücker los – ich kann ja die fehlenden Minuten noch rausholen, indem ich zwischendurch schneller fahre. Dass das nicht klappt und eher das Gegenteil passiert, vergesse ich jedes Mal erneut. Die Folge: Stress, Stress, Stress.

Mit dem Fahrrad und den Öffis müssen wir mehr Zeitpuffer einplanen und brauchen oft auch länger. Dafür sind wir dann auch pünktlich da. Und unterwegs treffen wir automatisch mehr Menschen, es ist Zeit für ein kurzes Gespräch oder ein Lächeln beim Warten an der Ampel. Das ist schön!

Fahrrad Dresden

Zwischendurch mal absteigen? Na klar.

6. Wir sparen Geld

Einer der wichtigsten Gründe kommt erst hier hinten in der Liste. Im Alltag fällt es uns kaum auf, wenn wir Geld NICHT ausgeben. Aber am Monatsende staunt man doch, wie viel Geld man NICHT für Parkautomaten, Tanken, Knöllchen, die Tiefgaragenmiete, Werkstattbesuche und schlichtes Auto-Haben ausgegeben hat.

Da fallen die Rechnungen für TeilAuto und Taxi, die gelegentlichen Fahrscheine und die Monatskarte (die bisher nur eines unserer Kinder hat) kaum ins Gewicht.

7. Wir fahren immer das passende Auto

Wer sagt denn, dass wir gar nicht mehr Auto fahren, nur weil wir ohne Auto leben? Ab und zu braucht man einfach eines – wenn ein Ort mit Fahrrad oder ÖPNV allzu schwer erreichbar ist, wenn wir schwere Sachen transportieren oder in den Urlaub fahren wollen.

Dafür gibt es ja aber Mietwagen und Carsharing. Diese Autos sind immer sauber, meistens vollgetankt (beim Carsharing müssen wir das Tanken auch nicht bezahlen) und vor allem: Wir können immer genau das nehmen, was wir gerade brauchen. Für Fahrten zu zweit genügt ein kleines E-Auto, wenn wir mit Extra-Kindern ins Schwimmbad wollen, mieten wir einen Bus.

Und für längere Urlaubsfahrten haben wir immer das neueste Modell, mit dem niedrigsten Verbrauch und den besten Sicherheits-Features.

Wenn wir dann mal eben mit dem E-Auto vorfahren oder im schnittigen weißen Mercedes, freut sich sogar der Sohn, dass wir kein eigenes Auto mehr haben.

TeilAuto Carsharing Parkplatz

Unterwegs mit TeilAuto: immer das passende Auto

8. Wir reisen sicherer

Zugegeben: Auf dem Fahrrad sind wir nicht eben risikoarm unterwegs. Wenn meine Kinder allein mit dem Rad quer durch die Stadt zum Training fahren, habe ich immer ein flaues Gefühl im Magen. Aber das kann ja kein Grund sein, vom Fahrrad aufs Auto umzusteigen! Im Gegenteil: Die Autos müssen raus aus der Stadt, oder wenigstens zurück in die zweite Reihe verbannt werden. Städte wie Kopenhagen machen das sehr schön vor – es geht also. (Und die Statistik zeigt, dass Radfahrer sicherer fahren, wenn viele von ihnen unterwegs sind.)

Anders sieht es aus, wenn wir für unsere Urlaubsreisen in den Zug steigen. Dann sitze ich total entspannt am Fenster, lasse die Landschaft an mir vorbeiziehen und freue mich innerlich, dass mir hier kein Idiot mit 240 km/h beim Überholen in den Kofferraum kracht und dass ich keine Angst vor eingeschlafenen Lkw-Fahrern haben muss, die mir von der Gegenfahrbahn in die Frontscheibe donnern. Ich kann auch einfach mal selbst die Augen zumachen oder mit den Kindern spielen, ohne parallel die Verantwortung für ihr Leben zu tragen.

Gerade im Urlaub ist das ein echt gutes Gefühl.

Bahnhof Neustadt Zug

Zugfahren in den Urlaub: sooo bequem!

9. Wir lernen unsere Stadt neu kennen

Vom Fahrrad aus sieht die Stadt ganz anders aus. Das hätte ich nie gedacht: Auch nach 40 Jahren in Dresden fahre ich heute mit dem Fahrrad auf der Suche nach Abkürzungen durch Straßen, Gassen und über geheime Schleichwege, von denen ich keine Ahnung hatte!

Meine Kinder, die viel mehr Bus und Bahn fahren als ich, kennen ihre Heimatstadt auch schon gut. Und weil sie ständig die Namen der Endhaltestellen sehen und über ideale Streckenverläufe grübeln, sind sie wesentlich fitter in Geografie als ihre Kumpels, die überallhin mit dem Auto chauffiert werden.

10. Wir sind die Zukunft

Noch vor zwei Jahren, ach was: Noch im letzten Dezember, als unser Auto plötzlich Schrott war, gehörten wir zu einer winzigen Minderheit. Das bezieht sich weniger auf Zahlen als auf die öffentliche Wahrnehmung: Kaum jemand beschäftigte sich mit dem Thema Verkehrswende, mit autofreien Städten, autofrei leben etc.

Seit einigen Monaten ist die Verkehrswende in aller Munde, in Talkshows wird über autofreie Städte gestritten und Alternativen zum Auto werden immer zahlreicher sichtbar (wobei es Lastenräder, Carsharing und schlichtes Zu-Fuß-gehen ja schon lange gibt…). In Kopenhagen haben wir erlebt, wie viel besser man in einer Stadt Fahrrad fahren kann, die Radfahrer als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer ansieht und einplant.

Es tut sich etwas in den Städten. Und auch diejenigen, die sich eine Stadt ohne Autos einfach nicht vorstellen können und dann mit Aggression, Spott oder Verachtung reagieren, werden das nicht aufhalten können.

Das Auto gibt es seit 1896 (wer hat’s erfunden?), seit den 1960er-Jahren ist es das Verkehrsmittel der Massen geworden. So richtig im Verkehr erstickt sind die Städte aber erst seit etwa 20 Jahren. Ich selbst kann mich noch erinnern, wie wir als Kinder auf der Straße gespielt haben.

Meine eigenen Kinder dürfen natürlich nicht auf der Straße spielen – viel zu gefährlich! Wenn wir durch die Stadt gehen, ist es furchtbar laut, es stinkt, wir müssen immer aufpassen, an Ampeln warten, um geparkte Autos herumgehen. Das soll individuelle Freiheit sein? Größtmögliche Mobilität? Ich glaube, wir haben uns da verarschen lassen.

Und deshalb machen wir das jetzt einfach wieder rückgängig. Ich freu mich drauf!

Kopenhagen Radweg

Eigene Straße für Radfahrer – warum soll das nur in Kopenhagen gehen?

Leben ohne Auto: So schafft ihr es auch!

Einfach mal das Auto stehenlassen, das klingt genauso wie „einfach mal keine Zigarette rauchen“, „einfach mal das Handy weglegen“. Irgendwie schafft man es nicht, denn Autofahren ist tägliche Routine. Und Routinen gewöhnt man sich schwer ab.

Deshalb heißt die Devise: Autofasten. Autoschlüssel und Führerschein mal für eine Woche in die Schublade stecken und versuchen, ohne Auto klarzukommen. Wer das geschafft hat, meldet das Auto mal für ein, zwei Monate ab – dann kostet es auch nichts, wenn es herumsteht.

Und dann heißt es: Auto verkaufen. Tadaaa! Was könnt ihr mit dem Geld nicht alles Schönes anfangen – ein toller Urlaub ist bestimmt drin, oder ein neues Lastenrad, oder eine BahnCard100, oder ein Jahresticket für den ÖPNV…

Die Initiative carEXIT hilft euch bei der Umstellung, mit einem Selbsttest, Tipps und motivierenden Videos.

Wann steigt ihr um?

Jenny

18 Kommentare

  • Danke für euren tollen Erfahrungsbericht!

    Wir, Family mit 2 Kids (4J + 5M), spielen aktuell auch mit dem Gedanken, unser eigenes Auto abzuschaffen. Natürlich kommen da die üblichen Bedenken und mit 2 Omas/Opas auf dem Land werden wir uns hier sicherlich etwas umgewöhnen müssen, aber ich glaube, es lohnt sich – für uns, die Mitmenschen und die Umwelt.

    Solche Beiträge helfen dabei wirklich sehr! Nächstes Ziel: Familienurlaub am Gardasee – Anreise mit dem Zug :-)

    Viele Grüße aus Ravensburg,
    Chris

  • Hallo,

    danke für die interessanten Beiträge. Es ist heutzutage eher schwierig, komplett auf das Auto zu verzichten. Je nach dem wo man wohnt – vor allem auf dem Land – erweist sich oft das Auto bzw. das Autofahren Lernen als unverzichtbar.

  • Hallo Jenny,
    Ich bin auch sehr dafür, dass alle, die in Städten leben und alle, die sich vorstellen können, auf ein wenig mehr Komfort zu verzichten, um für unsere Kinder eine lebenswerte Zukunft möglicher zu machen, es schlicht und einfach tun.

    Autos sind groß, werden immer größer, sind nach wie vor Umweltschädlinge, verstopfen Straßen – und Fußwege.

    Ok. Ich wohne auch in einer Großstadt, erreiche meine Arbeit in 20 Minuten mit dem Fahrrad (ich fahre auch bei jedem Wetter und das richtige Deo und die passende Kleidung – zur Not ein Shirt wechseln? – macht es möglich, dass ich im Büro nicht stinke oder leide.), alle Bedarfe des täglichen Lebens sind zu Fuß oder ebenfalls mit dem Rad erreichbar.

    Und: wir haben zwei kleine Kinder, 5 und 2 Jahre alt und wir fahren wirklich einfach nie Auto.
    Gar nicht.
    Ein Fahrradanhänger zum Beispiel kann auch größere Gegenstände transportieren. Für längere Wege, die doch nur mit Bus oder Bahn gehen, braucht man mit kleinen Kindern einfach etwas mehr Kreativität und eine Art Umdenken: im Zug in den Urlaub? Klar, da fallen Bali und Mallorca raus, aber muss ein kleines Kind zwangsläufig dort hin? Mit dem Zug reisen? Klar, muss man als Eltern mehr schleppen und sich mehr zur Bespaßung ausdenken, aber dafür können sich alle mal bewegen und in die Landschaft gucken.
    Wer auf dem Land lebt (kenne ich aus Kindheit und Jugend, vor allem den fehlenden oder mangelhaften ÖPNV), kann vermutlich nicht so leicht verzichten.
    Da muss dann eben ein umweltfreundliches Auto her. Und warum sollte hier nicht doch eine Art Carsharing möglich sein, wenn es Nachbarn gibt?
    Denn dass es so nicht weitergehen kann, scheint mir klar.
    Autos so wie derzeit genutzt, sind schlicht nicht zukunftsfähig.
    Zumindest in den Städten geht es schon sehr viel um individuelle Verwöhnung und mangelnden Weitblick ;-)
    Ich freue mich, dass wir nicht mehr ganz allein sind mit unserer offenbar immer noch für viele Städter unvorstellbaren Art der Mobilität!
    Viele Grüße an alle.

  • Liebe Jenny
    Ich bin erst jetzt auf deinen Artikel gestoßen.
    In Bern ( Schweiz) wird gerade eine weitere autofreie Siedlung gebaut. Nun beschwerte sich jemand in der Zeitung, dass sie nun keine Chance auf eine Wohnung bekomme, da ihr Mann auf ein Auto, zwecks Arbeit, angewiesen sei. Ich habe diesen Artikel und die dazu gehörigen Lesebriefe zunehmend erstaunt gelesen. Da ist eine grosse Aggression gegen die Autofreien, Grünen und noch andere, weniger nette, Bewertungen spürbar. Ich war ehrlich gesagt etwas geschockt! Woher kommt diese Aggression? Wir autofreien nehmen ja niemanden etwas weg. Im Gegenteil, wir verstopfen ja nicht auch noch die Strasse. Und so habe ich mich im Netz umgeschaut nach Gleichgesinnten. Habe mich gefragt, ob wir wirklich die Einzigen sind, die das autofreie Leben so befreiend erleben? Und so bin ich auf deinen Artikel gestossen.
    Und ja, ich finde deine 10 Punkte so treffend beschrieben und kann sie alle unterschreiben.
    Wir leben in einer kleineren Stadt (110 000 Einwohner) mit sehr guten ÖV-Infastrukturen. Dies vereinfacht uns das autofreie Leben sicherlich. Aber ich bin auf dem Land aufgewachsen und auch da hatten wir als Familie zeitweise kein Auto und diesen Verzichte hatte ich stets als bereichernd erlebt. Und so haben sich mein Mann und ich in jungen Jahren bewusste eine Wohnumgebung ausgesucht, in der wir nicht auf ein Auto angewiesen sind. natürlich besitzen trotzdem fast alle um uns herum ein, zwei Autos.
    Wir sind schon seit dem ersten Lebensjahr unsere ersten Tochter autofrei unterwegs. Dabei hatten wir einen Unterbruch, da unser zweite Kind ein Jahr (10J.alt) lang in eine Klinik musste, die 60km weit entfernt ist. Da hat uns ein Auto das Leben erleichtert. Es war zu dieser Zeit sonst schon sehr herausfordernd! Aber, dies gehört ja zu unser grossen Freiheit bezüglich Auto besitzen! Und dann hatten wir diese Kiste, der Schritt sie wieder los zu werden, war wie bei euch ein Totalschaden:-)). welch ein Glück! Und seit diesem Zeitpunkt leben wir wieder befreit von all dem Gehetzte! Diese komm, wir gehen noch schnell….. nein, wir gehen wieder bewusst. Fahren mit dem Fahrrad die fünf Kilometer zum Hauptbahnhof, steigen in einen Zug, fahren gemütlich an eine Ort, wandern weiter weiter und steigen dort wo wir wollen wieder in einen Zug oder Bus. Ohne Parkplatzsuche und im Staustehen. Oder geniessen die Natur, die Ausflugsziele in unsere Umgebung, ohne Hetzte…..sowieso, gestaltet sich das Leben auf dem Drahtesel viel weniger gehetzt. Und ic empfinde viel mehr Gelassenheit und Dankbarkeit für all das Schöne um mich herum.
    Und ja, das war auch so als die Kinder (95,98,01)noch klein waren. Wir haben drei, undhatten oftmals noch zwei, drei weitere auf unsern Streifzügen dabei.Wir konnten unsere Aufmerksamkeit immer auf unsere Kinder lenken und nicht auf den Verkehr. Sogar Skiferien in den Bergen sind mit dem Zug gemütlich zureichen. Und da man sich nur auf das Nötigste zu mitnehmen beschränkt ist ein weiterer Punkt zum Stress abzubauen.
    Vielen Dank für deinen Bericht. Ich freue mich eine Gleichgesinnte gefunden zu haben und hoffe, es finden noch viele den Weg in eine entspannte Mobilisierung.

    • Liebe Colette,

      vielen Dank für deinen netten Kommentar und die Bestätigung! Bei den vielen angstbissigen „Ja, aber“-Meinungen und Beleidigungen bekommt man ja schnell den Eindruck, wir wären von einer Verkehrswende noch Jahrzehnte entfernt. Ich hoffe einfach, dass unsere Erfahrungen Menschen ermutigen, die schon über das Abschaffen ihres Autos nachdenken oder ganz allgemein etwas für die Zukunft ihrer Kinder tun wollen. :-)

      Viele Grüße in die Schweiz
      Jenny

  • Da kriege ich doch tatsächlich 1 1/2 Jahre später ne Mail, warum ich hier antworte, wenn ich es doch anders sehen würde… Mimimi

    Mein Auto ist übrigens im letzten April gekommen (ich erwähnte ja, nach 9 Monaten ohne Auto in Hamburg, war mir das alles einfach zu umständlich). Allein aus Bequemlichkeit und Covid, meide ich die Öffis und andere Massenfortbewegungsmittel. Und Fahrrad fahren? Neee ich stehe nicht so auf Körpergerüche und hasse es wenn unsere Arbeitskollegen vollgeschwitzt mit ihren Drahteseln im Büro alles vollstinken…. Wie dem auch sei, ich denke es ist vor allem eine finanzielle Sache und grundsätzlich habe ich Verständnis, wenn einige sich kein Fahrzeug leisten können. Autofahren sollte einfach billiger werden, sodass sich wirklich jeder diese Errungenschaft leisten kann

    • Öhm, ist das jetzt meine Schuld, dass du deine Mails so spät bekommst? ;-) Wir verzichten sicher nicht aus Geldmangel auf ein eigenes Auto, aber offenbar bist du ja nicht an einem Austausch interessiert, sondern an einer Bestätigung deiner Meinung bzw. deiner Entscheidung. Ich respektiere die, aber ich bitte dich höflich darum, auch unsere Entscheidung zu respektieren – und uns nicht Armut oder Beklopptheit zu unterstellen.

      Ein schönes Jahr 2022!
      Jenny

  • Glückwunsch wer dort wohnt wo dies möglich ist!
    Jedoch ist und wird das Beispiel dieser Familie eine Minderheit bleiben.
    Das Gegenbeispiel kann ich vorweisen:
    – Landschaft = Mittelgebirge
    – Dorf mit 480 Einwohnern
    – Nächste Möglichkeit für Einkauf egal was/ Arzt/Bäcker/ Apoth./ Bahnhof/ Grundschule/ Gymn./ Veranstaltungen/ usw. = Minimum 8,5 Km meist bergauf!

    Ich denke mehr brauche ich nicht aufzuzählen, es ist schlicht unmöglich
    und wer was anderes behauptet ist ein Träumer ohne Alltagsbezug!

    • Warum muss denn unser Beispiel für alle Menschen gelten? Es reicht doch, wenn zunächst einmal diejenigen auf ein eigenes Auto verzichten, die das – wie wir – problemlos können, weil sie in Großstädten wohnen. Das sind fast 30 Prozent der Deutschen.
      Ich wundere mich, warum du überhaupt auf diesen Beitrag gestoßen bist und ihn gelesen hast, wenn das für euch überhaupt nicht in Frage kommt?

  • Ich kann mich Jenny nur anschließen. Bin ü60 und in den letzten Jahrzehnten beruflich ca. 1 Mio. km mit dem Auto gefahren und außerdem gesünder als vor 20 Jahren. Bin im letzten Jahr lediglich 800 km gefahren und das nur, weil ich verreist war. Ich überlege auch, das Auto abzuschaffen.

  • Hallo Jenny,
    zunächst muß ich mich verbessern: ich bin nicht ein Jahr,sondern einige Jahre(genauer:12) Bahn gefahren,kann also mitreden.Im Übrigen ist Ihre Antwort so,wie ich es – leider – erwartet habe.Ein friedliches Miteinander von Leuten,die ein Auto haben wollen,und denen,die keins wollen,scheint nicht möglich.
    Ich habe keineswegs vor,zu rechtfertigen,warum ich ein Auto besitze.Ich wohne glücklicherweise auf dem Land,wo niemand von mir erwartet,daß ich so etwas Selbsverständliches begründe und rechtfertige und wo ich vor Leuten Ihres Kalibers meine Ruhe habe.
    Und noch etwas,Frau Deutschlehrerin:nach „bestehen auf“ folgt der DATIV.Und falls es Sie interessiert:das erste Auto gab es 1886,nicht 1896(Benz Patent Motorwagen).

    Mit freundlichem Gruß
    Jörg Lüdecke

  • Den Artikel habe ich gerade erst gefunden und kann daher auch erst jetzt kommentieren. Berufsbedingt musste ich ein Jahr mit der Bahn fahren und empfand es als sehr unangenehm. Im Gegensatz dazu stresst mich Auto fahren nicht. Ich habe nicht so einen beknackten Fahrstil wie der Autor, ich bleibe gelassen und ärgere mich weder über andere Verkehrsteilnemer noch über die teils schikanöse Verkehrsführung in manchen Städten (womit diese, was mich angeht, ihren Zweck verfehlt).
    Wichtig ist aber: Die Familie ist ohne Auto glücklich. Ich wäre es nicht. Mit etwas Toleranz können aber beide Lebensentwürfe nebeneinander bestehen.

    • Hallo Jörg,

      ich finde in deiner Erläuterung leider kein Argument, das den Besitz eines eigenen Autos rechtfertigen könnte. Bahn fahren findest du also unangenehm, und du fährst halt gern Auto. Soso. Das trifft auch alles auf meinen Mann zu, der trotzdem seit 2 Jahren kein EIGENES Auto hat und damit problemlos zurechtkommt. Auch ich selbst fahre hin und wieder Auto und mag es, auf der Autobahn mal aufs Gas zu treten. Ich sehe nur nicht, wieso ich dafür ein eigenes Auto bräuchte?! Als Deutschlehrerin würde ich zu dir sagen: leider Thema verfehlt. Und weil du mich auch noch in einem Nebensatz beleidigst, was ich absolut unnötig finde, da du ja gleich nachher die Toleranzkeule schwingst, werde ich jetzt auch mal polemisch: Leben und leben lassen geht eben leider nicht, wenn in der Stadt jeder Dödel auf seine eigene Karre besteht, die ihm angeblich Lebensqualität bringt, meine und die meiner Kinder aber radikal einschränkt. Ganz ehrlich, dieses Gejammere von Leuten, die auf kein Quentchen persönlichen Komfort verzichten wollen und dafür schulterzuckend aufs Gemeinwohl und den Umweltschutz scheißen, macht mich sooo wütend…

  • Sorry, aber ich kann dies alles nicht bestätigen! Ich habe vor 9 Monaten mein Auto verkauft, weil ich der festen Überzeugung war, es würde ohne deutlicher entspannter sein. Genau heute habe ich ein neues Auto geleast weil mich das ganze nur noch ankotzt!
    Ich wohne in Hamburg und arbeite außerhalb. Ich muss morgens mit dem Bus/Fahrrad zur S-Bahn, dann zum HBF um von dort aus noch ein zwei Stationen mit der Regionalbahn zu pendeln…. der reinste Horror! Es ist völlig überfüllt, es stinkt, die Leute husten und niesen vor sich her etc. hinzukommen die ständigen Verspätungen! Mit dem Fahrrad wäre ne Alternative, allerdings würde ich verschwitzt im Anzug dann im Büro auftauchen, ein absolutes NoGo!
    Innerhalb der Woche abends mal einen Freund besuchen bedeutet immer immense Warterei auf den Nachtbus, Sharing ist eine Alternative, allerdings würde ich keinen Parkplatz bei mir finden und den ShareNow wagen in meine Tiefgarage stellen, wäre wohl keine gute Idee^^

    Wie du selber schreibst, ist schlechtes Wetter so eine Sache und man müsse ja nicht immer rausgehen…. Sorry, ich habe keine Kinder, bin 30 Jahre alt und habe einfach das Bedürfnis, mit Freunden mich zu treffen, egal bei welchem Wetter! Gerade im Norden ist das Wetter völlig unberechenbar und ich will nicht klitschnass (regen/Schweiß) im Restaurant/bar ankommen… und Funktionskleidung ist in der Regel ziemlich hässlich.

    Wie dem auch sei, ich habe es wirklich versucht und war am Anfang ziemlich überzeugt vom Leben ohne Auto, aber von Monat zu Monat kotze es mich einfach nur noch an, mich ständig ans Wetter, an die Öffis, an Zeiten anzupassen!

  • In der Stadt mag das funktionieren. Auf dem Lande ganz sicher nicht. Ich fahre ungern Auto und würde liebend gerne darauf verzichten. Es nervt mich auch ungemein, dass ich mit dem Auto in unsere eigentlich kleine Stadt rein muss und vermeide das so gut es geht. Denn der Verkehr dort ist grauenhaft und zum Parken ist es je nach Uhrzeit eine Katastrophe. Wie oft habe ich mir in der letzten Zeit gewünscht, dass ich mit dem Bus reinfahren könnte. Doch unsere Busverbindungen sind so grottig, dass sie nicht mal die Schulzeiten abdecken. Am Wochenende sieht es noch schlechter aus. Meine Tochter, die ja nur Bus fährt, verzweifelt daran immer wieder. Auch heute, muss ich sie wohl in die Stadt oder eben zum nächsten Stadtteil fahren, weil sie 2 h zu spät oder zu früh dort wäre mit unserem Bus. Für eine 15jährige, die dann 2 h alleine durch die Stadt tingelt nicht akzeptabel. Einkaufsmöglichkeiten habe ich hier null, nicht mal einen Bäcker gibt es. Ich muss jedes Mal in den Nachbarort, der ca. 7 km entfernt ist. Fahrradfahren ist hier keine Alternative, weil ich erstens meist den Hund mit im Auto habe, zweitens es so bergig ist, dass ich geflucht habe, als ich früher noch fit war und drittens sind gerade die Strecken nach Marburg nicht ganz ungefährlich. Ich überhole diese Radfahrer ja oft mit dem Auto und denke mir jedes Mal, dass ist hier alles ganz schön gefährlich. Zum Bahnhof müsste ich mit dem Auto fahren, das Auto dort für viel Geld parken, um weiterreisen zu können. Die nächsten Ärzte sind in einem Nachbarort, der mit dem Bus so gut wie gar nicht zu erreichen ist. Dahin könnte man schon etwas besser mit dem Rad hin, aber wenn ich zum Arzt muss, dann bin ich nicht mehr in der Lage Rad zu fahren. Zur Arbeit komme ich auch nur mit dem Auto, würde ich direkt in Marburg wohnen, wäre es weniger ein Problem, weil es da gute Anbindungen gibt. Wir wohnen aber in einem Stadtteil und da scheitert es wieder an der Busverbindung. Das Töchterchen hat Hobbys, die nicht mit Bus oder Fahrrad zu erreichen sind, weil eben auch auf dem Land. Nur Geige klappt jetzt von der Uhrzeit, da bekamen wir mal einen Termin, zu dem sie direkt nach der Schule kann und danach erwischt sie auch noch einen der Busse zu uns. Das erleichtert schon mal sehr. So lange die Öffentlichen hier nicht im 30 min. Takt fahren und keine stundenlangen Umwege übers Land fahren, werde ich das Auto weiterhin so oft benutzen müssen, wie jetzt auch. In die Stadt ziehen kann ich mir schlichtweg nicht leisten. Ich liebe es auf dem Land zu wohnen, wirklich, ich möchte eigentlich überhaupt nicht in die Stadt. Aber es muss sich wirklich was tun, damit auch Landbewohner wenigstens die eine oder andere Fahrt aufs Auto verzichten können. Ich finde es toll, dass ihr es geschafft habt!

  • Das Auto ist in der Stadt wirklich totaler Blödsinn!
    Ein guter Freund von mir schwärmt mir seit Jahren schon vom Carsharing vor und auch mein Bruder hat vor 2 oder 3 Jahren immerhin von 2 Autos auf 1 Auto reduziert dank Carsharing und auch er jubelt in den höchsten Tönen von dem Schritt, sodass ich regelmäßig alle paar Monate dieselben Überlegungen anstelle. Aber leider gibt’s bei uns kein Carsharing und du weißt selbst, dass es ganz ohne Auto mit kleinen Kindern nicht immer geht.
    Von daher ja, für Städter wird das ziemlich sicher die (bessere) Zukunft sein und hoffentlich auch für uns Menschen im Speckgürtel der Stadt.
    Immerhin denke ich seit ziemlich genau 1.5 Wochen über den Verkauf unseres Busses nach, denn Mieten könnten bei intelligenter Buchung sogar billiger sein und dann haben wir, wie von dir richtig festgestellt, ein moderneres und sauberes Fahrzeug! Das hat definitiv was und wenn was kaputtgeht, ist das auch nicht so richtig mein Problem.

    Von daher kann ich nur sagen: Guter Schritt von euch und sehr schöner Beitrag!

Hier kommt deine Meinung rein.