! Aktualisiert am 20. Oktober 2017
Jetzt habe ich in den letzten Posts so einiges über die Great Walks geschrieben und warum wir gern 550 km auf denen wandern würden – da wird wohl eine kleine Einführung zum Thema fällig. Wandern kann man in Neuseeland nämlich überall und nicht nur auf den Great Walks …
Wandern in Neuseeland – das müsst ihr wissen
Zunächst eine Klarstellung: Wandern heißt in Neuseeland nicht „hiking“ wie im Rest der englischsprachigen Welt, sondern „tramping“ oder eben „walking“. Ein Wanderweg ist ein „track“ oder eben auch „walk“.
Wer in Neuseeland wandern will, hat die Qual der Wahl – es gibt gefühlte Millionen von Wegen jeder Länge und jedes Schwierigkeitsgrades. Dazu kommt eine mitunter fast unheimlich gute Organisation, für die man dem Department of Conservation, kurz DOC, danken muss.
Nahezu alle Wanderwege sind ausgezeichnet beschildert, meist sehr gut gepflegt, besonders in sensiblen Gegenden mit großer Rücksicht auf die Natur angelegt (lange Strecken über „board walks“, um die Vegetation am Boden zu schützen, sind nichts ungewöhnliches) und alle Routen sind mit Länge, Höhenunterschieden und Aussichtspunkten in Broschüren dokumentiert, die zu allem Überfluss in der Regel kostenlos ausliegen.
Mit anderen Worten: ein Wanderparadies, und als solches hat Neuseeland ja inzwischen weltweit einen Ruf.
Früher war das anders: Da hieß „wandern“ in Neuseeland, dass man auf eigene Verantwortung in die Wildnis ging, wobei man sich selbstredend auch selbst versorgte. Als immer mehr ausländische Besucher nach Neuseeland kamen (und aus der Wildnis gerettet werden mussten), bemerkten die Kiwis, dass die Standards in ihrem Land anders aussahen, als es ihre Besucher erwarteten.
Viele Touristen waren schockiert, dass einige der ihnen empfohlenen Wege sehr gefährlich zu laufen waren. Das DOC lernte schnell, dass es Wanderwege, für die es die Verantwortung übernahm, auch auf einem international anerkannten Niveau instandhalten und pflegen musste.
Das ist ein schwieriges und teures Unterfangen: Man brauchte Hütten, die instandgehalten und saniert werden mussten; die bisher üblichen Holzbuden mit Lehmboden und ein paar Säcken zum darauf Schlafen reichten für die Touristen nicht aus. Brücken in der Wildnis, oft die einzige sichere Möglichkeit der Flussüberquerung, sind teuer und müssen aufwändig gepflegt werden.
Wanderwege müssen angelegt, gesäumt und entwässert werden. Die vielen Erdrutsche und die Erosion verlangen ständiges Umleiten und Neu-Anlegen der Wege, jedes Jahr muss Buschwerk beschnitten und Totholz entfernt werden. Dafür sind schweres Gerät und teure Maschinen, oft sogar Helikopter nötig.
Die “Great Walks” und warum es sie gibt
In Neuseeland gibt es Tausende von Wanderwegen, aber nur sehr wenige, die diese anspruchsvollen Kriterien erfüllen. Das DOC und die Tourismusbüros stehen ständig unter dem Druck, sich an die Wünsche der immer zahlreicheren Touristen anzupassen.
Um mit der Menge an Besuchern umzugehen, die nicht mit den spezifischen Bedingungen in Neuseeland vertraut sind, verfolgt das DOC eine sehr vernünftige Strategie: Der Hauptteil der Besucher wird auf eine beschränkte Zahl von Wanderwegen konzentriert, die intensiv gepflegt werden.
Das sind die sogenannten Great Walks: neun spezielle Tracks, die relativ einfach instandzuhalten sind und von der neuseeländischen Regierung intensiv gefördert und vermarktet werden.
Im Gegensatz zu den normalen Wanderwegen, die jedem Menschen offen stehen, muss man sich für das Benutzen der Great Walks bzw. der Übernachtungsplätze auf dem Weg offiziell anmelden und bezahlen. Ist der Walk ausgebucht, darf man auch nicht drauf.
Damit sich die Wanderer nicht regelrecht anstellen müssen, gibt es teilweise strikte Zeitvorgaben, in welcher Zeit man die Strecke bewältigen muss – nicht eben geeignet für spontane Entscheidungen …
Die Strategie ist jedenfalls sehr erfolgreich: Die Bekanntheit der Great Walks verstärkt sich von Jahr zu Jahr, die Tracks werden immer beliebter und sind in der Hauptsaison brechend voll. Immer größere Hütten, in denen hauptberufliche Hut Wardens arbeiten, können mehr als 60 Wanderer beherbergen, es gibt Einbahnstraßen-Beschränkungen und man kann organisierte Gruppenwanderungen mit bis zu 40 Personen buchen. Den Abel Tasman Great Walk sind im Jahr 2011 fast 30.000 Besucher gewandert!
Die andere Seite der Medaille kann man positiv oder negativ sehen: Während sich die Touristenströme auf die Great Walks konzentrieren, gibt es Hunderte weitere Tracks und Routen in Neuseeland, die (unter Touristen) wenig bis überhaupt nicht erschlossen oder bekannt sind. Auf einigen Wegen hört man den ganzen Tag nur Vogelgesang und das Rauschen der Bäume und die Hütten sind einsam wie im Märchen.
Freilich sind viele dieser Wege nur mit kundiger Führung zu entdecken und zu begehen – einige erreicht man nur mit dem Boot oder per Helikopter, andere sind durch schnell anschwellende Flussläufe, wechselhaftes Wetter und die geologisch noch junge Landschaft mit starker Erosion und vielen Erdrutschen auch recht gefährlich und nur mit Erfahrung zu bewältigen.
Nicht umsonst sterben in Neuseeland jedes Jahr wieder Wanderer und Bergsteiger, die sich und ihre Fähigkeiten überschätzt haben oder einfach Pech hatten. Die „remote huts“ sind häufig nur Holzhütten mit Etagenbetten und Plumpsklos, ohne Strom und fließendes Wasser.
Für Einsteiger, die wenig Erfahrung im Wandern haben, mit Kindern unterwegs sind oder einfach gern auch beim Wandern Leute kennenlernen wollen, bieten sich die Great Walks daher als ideale Touristen-Angebote an: Sie sind gut ausgebaut, werden rege genutzt und sind genau deshalb recht sicher.
Wer Neuseeland „off the beaten track“ entdecken und nicht dasselbe sehen und fotografieren will wie alle anderen Urlauber, dem stehen zig Möglichkeiten offen – low budget, very scenic und gaaanz einsam. Auch mit Kindern sind unbekanntere Wanderwege kein Problem. Erkundigt euch vor dem Wandern beim DOC nach dem Wetterbericht und holt euch Tipps zur gewählten Route, dann sollte eigentlich nichts schiefgehen.
Die Weltwunderer können stolz berichten, dass sie mit Kindern immerhin zwei der Great Walks gelaufen sind – ähäm, jedenfalls teilweise. Wer unsere Reiseberichte aufmerksam gelesen hat, der weiß, welche…
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