! Aktualisiert am 11. Februar 2022
Koya-san gilt als der mystischste Berg Japans, das an mystischen Bergen nicht arm ist. Die Stimmung hier oben ist eine ganz besondere. Unser Besuch auf dem größten buddhistischen Friedhof in Japan – dem Okuno-in – war eines unserer schönsten Erlebnisse in Japan.
Mit Religion haben wir ja normalerweise nicht allzu viel am Hut. In Japan wurde das schnell anders: Auf unserer Camper-Tour über die Inseln Honshu und Shikoku landeten wir fast täglich in großen und kleinen buddhistischen Schreinen und Shinto-Tempeln, nahmen dort interessiert an religiösen Zeremonien teil und fühlten uns an mystischen Orten wie dem Fushimi Inari Taisha in Kyoto, auf den verfallenen Friedhöfen der Insel Shikoku oder beim Tanzfestival Awa Odori mit einer Spiritualität konfrontiert, die wir sehr anziehend fanden.
Als ich dann im Reiseführer vom Okuno-in las, dem größten buddhistischen Friedhof in Japan (und der Welt!), war klar: Da mussten wir hin. Friedhöfe in anderen Ländern finden wir sehr spannend, weil sie so unglaublich anders sein können – dort zeigen sich Sitten und Bräuche, von denen man in Reiseführern nur selten liest. Und hier hatten wir also einen riesigen Friedhof, der in einer heiligen Tempelstadt lag – perfekt.
Zum Glück lag der Berg Koya-san fast auf unserer Route (oder sagen wir, unsere Route wurde kurzerhand über die Kii Peninsula südlich von Osaka verlegt). Los ging es zu einem Übernachtungsort, an den wir uns auch Jahre später noch sehr intensiv erinnern.
-> Hier seht ihr unsere Route für 3 Wochen Japan im Camper
Was ist Koya-san – und der Okuno-in?
Koya-san (auch Mount Koya genannt) ist ein Berg und gleichzeitig eine Stadt in der Präfektur Wakayama. Sie bzw. er liegt als heilige Stätte auf einer Pilgerroute durch das Kii-Gebirge, das wiederum das Zentrum der dicht bewaldeten Kii-Halbinsel bildet.
Stellt euch lange Alleen mit turmhoch aufragenden Zedern vor, zwischen denen sich hunderte kleiner und größerer hölzerner Tempeln ducken, umgeben von Zen-Gärten, in denen Mönche in ockerfarbenen oder burgunderroten Roben wandeln und ihre monotonen Gesänge erklingen lassen – hin und wieder unterbrochen von einem hallenden Gong.
So sah es früher am Koya-san aus, als hier (seit dem Jahr 816!!) eine weltabgeschiedene Tempelanlage stand – und heute irgendwie noch immer. Plus eine Menge (japanischer) Touristen.
Logisch: Koya-san ist eine UNESCO-Weltkulturerbestätte, liegt praktisch zwischen Tokio und Kyoto und bietet als Wirkungsstätte des japanischen Nationalhelden Kobo Daishi (der die Silbenschrift Hiragana erfunden und eben auch Koya-san gegründet haben soll!) und Pilgerort für viele Buddhisten ein perfektes Reiseziel. Auch wenn von den ehemals über 2.000 Tempeln nur noch knapp 50 erhalten sind, schwärmen viele von der ganz besonderen Atmosphäre in Koya-san.
-> Bei Tabibito lest ihr mehr über Kobo Daishi
Wie kommt man nach Koya-san?
Das 800 m hohe Bergplateau des Koya-san erreicht man gar nicht so einfach, wie man denkt – jedenfalls, wenn man nicht wie wir im Camper durch Japan fährt. Für uns war die Fahrt zum Koya-san eine sehr kurvige, sehr steile und ziemlich schmale Bergstraße.
-> Japan im Camper: so einfach geht das!
Für alle nicht motorisierten Reisenden ist die Fahrt auf den Koya-san schwieriger: Sie müssen mit dem Regionalzug zum Fuß des Mount Koya fahren und von dort in einer kleinen Standseilbahn hinauf auf den Berg zuckeln. Die letzten Kilometer heißt es steil bergauf zu Fuß gehen (oder mit dem Bus fahren).
Die heilige Tempelanlage wurde früher durch ein riesiges Tor, den Daimon, betreten. Frauen durften erst ab 1872 den Koya-san betreten und mussten auch danach einen anderen Eingang nehmen. Das ist heute ganz entschieden nicht mehr so – Koya-san zeigte sich uns beim Einfahren als ziemlich normaler japanischer Ort, der unglaublich voll mit Besuchern und Reisebussen war. Wir haben hier zum ersten Mal in Japan einen Tempel nicht anschauen können, weil wir schlicht keinen Parkplatz fanden!
Von Kyoto sind es nach Koya-san 125 km, die nächste größere Stadt ist Wakayama (dort kamen wir her, nachdem wir mit der Autofähre von Shikoku übergesetzt waren). Tagesbesucher kommen meist aus Osaka nach Koya-san.
Übernachtung am Okuno-in
Wir waren nachmittags in Koya-san angekommen und hatten uns zuerst über die angenehm frischen Temperaturen auf dem Bergplateau gefreut, die eine willkommene Abkühlung vom japanischen Flachland-Hitzesommer boten. Nachdem wir die am Wegrand winkenden Tempel wegen akuter Parkplatznot nicht besichtigen konnten, hielten wir uns zur Stimmungsaufhellung eine Weile im Supermarkt mit dem Einkauf von Essen auf (das hilft in Japan immer).
Auf einem kleinen Marktplatz neben dem Eingang zum Friedhof Okuno-in entdeckten wir dann, dass mir Takoyaki sehr gut schmecken, den anderen Familienmitgliedern jedoch nicht. Als nächstes stellten wir dort fest, dass sich der Parkplatz schnell leerte – es war nach 17 Uhr und die Tagesbesucher fuhren ab. Das taten sie wie überall in Japan alle gleichzeitig, sodass das wuselige Koya-san plötzlich menschenleer vor uns lag.
Hurra! Wir schlenderten erleichtert durch die hübschen Straßen des Städtchens, machten einige eilige Souvenirkäufe in hübschen kleinen Boutiquen (die leider alle spätestens 18 Uhr schlossen), aßen auf dem Parkplatz gemütlich unser Abend-Sushi… und schielten dann in der einbrechenden Dunkelheit zum Friedhofseingang hinüber.
Okuno-in ist als Friedhof immer geöffnet, auch nachts. Glühwürmchen surrten herum, Zikaden sägten und der schwach erleuchtete Eingang lockte. Nachts auf einen Friedhof in Japan gehen?? Na klar, das machen wir.
Mit wohligem Gruseln absolvierten wir die rituelle Waschung, die vor jedem Shinto-Tempel ansteht, und schlichen dann leise über die breiten, mit Steinplatten belegten Wege. Moosbewachsene Laternen säumten jeden Weg, kleine steinerne Jizo-Figuren leuchteten im Schein unserer Handytaschenlampen auf und hin und wieder sah man weiß gekleidete Menschen zwischen dem dichten Grün auftauchen (keine Gespenster, einfach nur Leute).
Gruselig war es irgendwie gar nicht… also kehrten wir irgendwann um und gingen schlafen. (Dass der Parkplatz natürlich mit einer schönen Toilettenanlage, Getränkeautomaten etc. ausgestattet war, muss ich nicht eigens erwähnen, denke ich.)
“Normale” Touristen schlafen in Koya-san im Hotel. Das Besondere an diesem heiligen Ort ist jedoch, dass man hier auf Wunsch auch in einem Kloster übernachten kann. Das ist sozusagen der Zweck dieses Ortes, der Pilgern eine Herberge bieten sollte. Heute ist Koya-san einer der wenigen Orte in Japan, wo man als Normalo relativ einfach ins buddhistische Klosterleben hineinschnuppern kann. Berühmt ist auch die vegane buddhistische Küche “shojin ryori”, die man hier ausschließlich vorgesetzt bekommt (und die ziemlich fade gewürzt sein soll…).
-> Kati und Hermann haben es getan: übernachten in einem Tempel in Koya-san
Koya-san und Okuno-in: Friedhofsbesuch am Tag
Natürlich sind wir am nächsten Morgen noch einmal auf den Okuno-in gegangen! Wie immer in Japan, waren wir gegen 8 Uhr die letzten, die aufstanden – auf dem Friedhof war schon eine Menge los. Da Okuno-in nicht nur ein Friedhof ist, sondern auch voller Tempel steht, gibt es hier regelrechte Must-sees.
Statt Gräbern berühmter Menschen sind die japanischen Gräber an sich die wichtigste “Attraktion” des Okuno-in – es sind unglaubliche 200.000 Grabstätten. Natürlich gibt es einige wichtige japanische Persönlichkeiten darunter, aber wer kennt die außerhalb Japans?
Von Kobo Daishi habt ihr nun aber schon einmal gehört, und der ist natürlich auch hier in einem Mausoleum begraben (oder er meditiert dort noch immer, wie die Shingon-Buddhisten glauben). Daneben gibt es mehrere Shoguns und Kriegsherren und, man liest es mit offenem Mund, auch Grabstätten mit der Beschriftung “Toyota”, “Kirin Beer” und “Nissan”. Das nenne ich Firmenverbundenheit!
Uns haben die kleinen Jizo-Statuen am meisten beeindruckt. Die kleinen Steinfiguren stecken in jeder Nische, zwischen Baumwurzeln und am Fuß der steinernen Laternen, sie tragen rote gehäkelte Lätzchen und Mützchen und sehen richtig niedlich aus. Wenn man weiß, dass jede Jizo-Figur für ein gestorbenes Baby steht (auch an abgetriebene Babys wird so erinnert), bekommt man jedoch einen dicken Kloß im Hals.
-> Mehr über Jizo-Statuen lest ihr bei Elisa von Japanliebe
Wahrscheinlich kann man stundenlang über den Okuno-in streifen und sich über kleine Entdeckungen am Wegrand freuen. Dabei sollte man aber zwei Highlights nicht verpassen!
Am beliebtesten schien uns der kleine Schrein zu sein, in dem ein schwerer Stein liegt, den man nur durch ein kleines Loch mit ausgestrecktem Arm erreichen kann. Wir stellten uns neugierig in die Warteschlange vor dem Häuschen und probierten dann pflichtschuldig auch, ob wir es schafften, den “Miroku Stone” mit einer Hand hochzuheben. Wenn einem das gelingt, hat man Glück – der Stein entspricht nämlich dem Gewicht der eigenen Sünden. (Spoiler: Ich hab’s geschafft!)
Noch viel beeindruckender ist die “Torodo Hall“, die Halle der Lampen, die kurz vor dem Kobo-Daishi-Mausoleum steht. Hier drinnen brennt ein ewiges Feuer, gehütet von einem schweißüberströmten Mönch in einem sicher nicht feuerfesten ockerfarbenen Mönchsgewand, der über 10.000 brennende Laternen wacht. Einige von ihnen sollen seit 900 Jahren nicht erloschen sein!
Bei uns in Deutschland ist ein Friedhof eine zwar sehr ruhige, aber auch ziemlich langweilige Angelegenheit: Außer Gräbern gibt es nichts zu sehen, und die Besucher stehen traurig davor oder gießen Blumen. Kein Vergleich mit der festlichen, andächtigen, aber keineswegs gedrückten Stimmung auf dem Okuno-in.
Herumlaufende, lachende Kinder – kein Problem. Neugieriges Zuschauen und Ausprobieren von religiösen Ritualen wie dem Bespritzen von Buddha-Statuen mit Wasser – kein Problem. Erwerb von Souvenirs – kein Problem.
Vielleicht mag das damit zusammenhängen, dass man im Shingon-Buddhismus des Kobo Daishi gar nicht davon ausgeht, dass in den Gräbern auf dem Friedhof Tote liegen. Vielmehr sind es wartende Seelen.
Der Buddha der Zukunft hatte Kobo Daishi während einer Meditation nämlich prophezeit, dass jeder, der hier auf dem Koya-san begraben sei oder begraben sein würde, irgendwann ins Himmelreich emporgehoben werde. Wann das passieren sollte, klärte der Buddha nicht auf – deshalb setzen gläubige Buddhisten alles daran, auf dem Okuno-in begraben zu werden (oder wenigstens ein wenig ihrer Asche oder eine Haarsträhne vor dem Mausoleum von Kobo Daishi zu deponieren).
Ich glaube, ich wäre hier auch gern eine wartende Seele…
Koya-san und Okuno-in: nützliche Tipps
Beste Jahreszeit: Der mystische Okuno-in ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Wir fanden es hier im Sommer wunderschön, weil man dann nachts Glühwürmchen sehen kann und es im Vergleich zum Flachland sehr angenehm frisch hier oben war. Mitte August, während der Obon-Woche, findet in Koya-san ein Matsuri statt, bei dem alle Wege auf dem Friedhof mit Kerzen erleuchtet werden. Das stelle ich mir unglaublich schön vor.
Fun Fact: Direkt nebem dem Okuno-in ist auf Google Maps ein Skigebiet eingezeichnet! Auch im Winter macht ein Besuch in Koya-san also Spaß ;-)
Öffnungszeiten: Viele der Tempel in Koya-san und der Friedhof Okuno-in können rund um die Uhr kostenlos besichtigt werden; nur die Halle der Lampen ist von 17.30 bis morgens um 6 Uhr verschlossen. Wer sich nachts nicht allein auf den Friedhof traut, kann geführte Night Tours buchen.
Anfahrt: Der Friedhof Okuno-in ist vom Ort Koyasan nur einen kurzen Fußweg oder eine Bushaltestelle entfernt. Die wichtigsten Tempel von Koya-san stehen alle entlang der Hauptstraße, man kann sich eigentlich nicht verlaufen.
Eingänge: Es gibt zwei Eingänge zum Okuno-in: den “offiziellen” im Stadtgebiet (Omotesando Ichi-no-hashi), von dem man etwa 2 km auf dem Friedhofsgelände flaniert, bis man das Mausoleum von Kobo Daishi erreicht, und einen “Abkürzungseingang” weiter östlich, der direkt neben dem großen Parkplatz liegt, wo wir über Nacht mit dem Camper gestanden haben. Von diesem Eingang sind es zu den Must-sees von Okuno-in nur etwa 800 Meter.
Übernachten: Das Städtchen Koya-san ist nicht groß, Übernachtungsmöglichkeiten sind vor allem in der Hauptsaison schnell ausgebucht. Reserviert also mehrere Wochen im Voraus eure Übernachtung – oder macht es wie wir und kommt im Camper, dann könnt ihr kostenlos auf dem Parkplatz vor dem Okuno-in (Nakano-hashi Parking Lot) stehenbleiben.
Eine Übernachtung in Koya-san ist schon allein deshalb zu empfehlen, weil ihr dann morgens die ersten und abends die letzten auf dem Okuno-in seid – und das ist ein wunderschönes Erlebnis, können wir euch aus erster Hand versichern!
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